Karl Wilhelm von Baden-Durlach
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Karl III. Wilhelm von Baden-Durlach (* 17. Januar 1679 in Durlach, † 12. Mai 1738 in Karlsruhe) war von 1709 bis 1738 Markgraf der Markgrafschaft Baden-Durlach und war Gründer der Stadt Karlsruhe. Sein Vater war Friedrich Magnus von Baden-Durlach, seine Mutter Augusta Maria von Schleswig-Holstein-Gottorf.
Karl Wilhelm wurde 1703 wurde zum „kaiserlichen General Feldmarschall Lieutenant“ ernannt. Im Jahr 1708 wurde er zum „General-Feldzeugmeister“ des Schwäbischen Reichskreises[1] befördert.
Lebenslauf
Kindheit und Jugend
- Er wurde am 17. Januar 1679 in Durlach geboren. Dies entspricht dem 27. Januar gemäß der gregorianischen Zeitrechnung[2].
- Sein Vater legte großen Wert auf die Erziehung im protestantischen Glauben. Das Ende des Dreißigjährigen Kriegs war bei der Geburt Karl Wilhelms erst 31 Jahre vorbei und die Glaubensunterschiede spielten noch immer eine große Rolle in den regierenden Fürstenhäusern. Sein erster Hofmeister[3] war der Durlacher Diakon Carl Lembke, welcher von Johann Wilhelm Marchtrencker unterstützt wurde.
- 1688 floh seine Familie mit ihm in den Wettiner Hof im rechtsrheinisch gelegenen, neutralen Klein-Basel, weil französische Truppen nach dem Ausbruch des Pfälzischen Erbfolgekriegs zahlreiche Städte am Oberrhein besetzten.
- In Klein-Basel erhielten er und sein Bruder Christoph den Hofmeister Conrad Justus Hemeling und den 36-jährigen Baron Johann Bernhard von Gemmingen, die weiterhin von Hofmeister Marchtrencker unterstützt wurden. Als Hauptlehrinhalte galt die Vermittlung der evangelischen Religion und das Beibringen „guter Manieren“. Karl Wilhelm las viel in der aus Durlach mitgebrachten Bibliothek.
- Im Oktober 1690 besuchte er für ein Jahr die höhere Schule in Lausanne. Danach befand er sich in der Schule in Genf. Er fiel seinen Lehrern durch große Sprachbegabung und einem großen Wissensdurst auf.
- Ab 1692 begann er sein Jura-, Geschichts- und Politik-Studium an der Universität zu Utrecht in den Niederlanden.
- Im Frühjahr 1693 unternahm er eine Reise nach England und wurde dort auch von der königlichen Familie empfangen.
- Von Ende 1694 bis zum Spätsommer 1695 besuchte er die italienischen Städte Rom, Neapel, Florenz und Turin.
- Von Ende Januar 1696 bis Ende Oktober besuchte er die mütterliche Verwandtschaft in Gottorf in Schleswig, das Königspaar von Schweden sowie Friedrich I. von Preußen.
- Am 8. Juli 1697 erfolgte die von seiner Mutter und seiner Schwiegermutter arrangierte Heirat mit Magdalena Wilhelmine von Württemberg. Wenige Wochen zuvor war seine jüngere Schwester Johanna Elisabeth mit dem Herzog von Württemberg verheiratet worden. Für beide Paare war es keine Liebesheirat. Sie erfolgte aus Gründen der Staatsräson, um Baden-Durlach und Württemberg stärker aneinander zu binden, die beide protestantischen Glaubens waren.
- 1699 erwarb Karl Wilhelm das villenartige Wingertschlösschen mit weitläufigem Garten auf einer Anhöhe hinter dem Schlossgarten. Es war eines der fünf Gebäude, die den großen Brand von 1689 überstanden hatten. Er nutzte seinen dortigen Freiraum und wurde daraufhin von seinem Vater aufs Schärfste ermahnt, von der „unlöblichen, ja lasterhafften Lebensart“ abzulassen und er sollte die „ohnanständige liederliche Gesellschafften und in Sonderheit deren gemeinen unzüchtigen Waiber maiden“.
Militärkarriere
- Zwischen 1701 bis 1709 nahm er am Spanischen Erbfolgekrieg teil. Der Schwäbische Reichskreis ernannte ihn zum Oberst und Generalwachtmeister unter Generalleutnant Markgraf Ludwig Wilhelm im kaiserlichen Heer.
- Bei einem Ausfall der belagerten Franzosen in Landau erlitt er am 14. August 1702 eine Schusswunde am rechten Oberschenkel.
- Im Oktober 1702 war er nicht ganz genesen wieder bei seinen Truppen am Tüllinger Berg bei {{Lörrach]], die dabei mithalfen zu verhindern, dass die Franzosen sich mit ihren bayerischen Verbündeten vereinigen konnten. Dort soll er „wie ein Löwe gefochten“ haben, wie auch die Franzosen anerkennend berichteten. Der Schwäbische Reichskreis ernannte ihn deshalb am 29. November 1702 zum Generalfeldmarschall-Lieutenant.
- Im März 1703 scheiterte der französische Marschall Claude-Louis-Hector de Villars bei der Überwindung der „Stollhofener Linie“, die auch von Karl Wilhelm gehalten wurde.
- Am 20. September 1703 wurde das österreichische Korps unter dem Befehl von Feldmarschall Hermann Otto II., Graf von Limburg-Styrum von den beiden miteinander verbündeten französischen und bayerischen Truppen vernichtet. Karl Wilhelm konnte sein dem Feldmarschall unterstelltes Regiment „mit großer Vorsichtigkeit und Tapferkeit“ retten und es wieder zurück zur Stollhofener Linie führen. Dafür wurde er von Kaiser Leopold[4] am 16. November 1703 zum kaiserlichen General Feldmarschall Lieutenant ernannt.
- In der Entscheidungsschlacht bei Blindheim am 13. August 1704 entging Karl Wilhelm, der die Reiterei am rechten Flügel befehligte, dem drohenden Tod durch einen gezielten Pistolenschuss seines Sattelknechts Aberle auf einen heranreitenden, feindlichen Reiter.
- Als am 21. September mehrere Tausend Franzosen einen Ausfall der erneut belagerten Festung in Landau unternahmen, organisierte Karl Wilhelm in den angelegten Laufgräben die Abwehr und konnte den Ausfall abwehren. Kronprinz Joseph I.[5] zeigte sich anschließend beeindruckt. Vom Schwäbischen Reichskreis wurde er deshalb am 12. Mai 1708 zum General-Feldzeugmeister ernannt, dem dritthöchsten Offiziersrang des Reichskreises.
- Im Sommer 1705 kaufte er den kleinen Ort Dürrenwettersbach und benannte ihn in Hohenwettersbach um.
- Karl Wilhelm erhielt 1706 den Auftrag, die Stollhofener Linie mit nur 2.000 Soldaten und 600 Dragonern[6] gegen eine französische Übermacht von 30.000 Mann unter dem Befehl von Marschall Claude-Louis-Hector de Villars zu halten. Da dies unmöglich war, zog er sich in der Nacht des 24. Mai ohne Verluste nach Pforzheim zurück.
- Im Juni 1707 fiel Karl Wilhelm in Ulm während des Exerzierens vom Pferd und brach sich dabei ein Bein. Als der Bruch fast verheilt war, zeigte sich Wundbrand[7]. Das Bein wurde mit „unsäglichen Schmerzen“ vom behandelnden Arzt erneut auseinandergezogen. Daraufhin musste Karl Wilhelm wochenlang in seinem Krankenlager bleiben.
- Am 13. November 1707 erschütterte die Baden-Durlachische Familie die Nachricht, dass Herzog Eberhard Ludwig, der Schwager Karl Wilhelms, die Hofdame am Württembergischen Hof, Christiane Wilhelmine von Grävenitz, geheiratet hatte. Dieser Skandal und seine Lösung beschäftigte ihn und seine Familie noch einige Jahre.
Markgraf
- Karl Wilhelms Vater Friedrich Magnus verstarb am 25. Juni 1709, wodurch er neuer Markgraf von Baden-Durlach wurde. Er beendete daraufhin seine militärische Karriere und führte diese nicht mehr fort. Anlässlich seines Amtsantritts ließ er eine Erinnerungsmedaille prägen, die er mit den lateinischen Worten „Audacem Fortuna Coronat“ („Den Kühnen krönt das Glück“) versah.
- 20. September 1709: Eberhardine Luise von und zu Massenbach willigte in ein „Liebesversprechen“ ein und wurde dadurch zur Mätresse Karl Wilhelms.
- Sommer 1711: Es erfolgte eine Schiffsreise auf dem Rhein nach Haarlem[8] in Holland. Dort kaufte er viele Tulpenzwiebeln für seine Gärten in Durlach.
- Herbst 1711: Karl Wilhelm verstieß Eberhardine Luise von und zu Massenbach, weil sie ihm während seiner Abwesenheit untreu geworden sein soll, wie ihm zugetragen wurde. Dabei handelte es sich möglicherweise um eine Intrige.
- Herbst 1711 bis Januar 1712: Karl Wilhelm unternahm eine Lustreise nach Venedig. Auf der Reise traf er in Innsbruck Karl VI. von Habsburg[9], der sich auf dem Weg von Spanien nach Frankfurt zur Krönung befand. Am 11. Januar 1712 starb Karl Wilhelms ältester Sohn Karl Magnus, weshalb er seine Lustreise abrupt beendete.
- Von 1711 bis 1712 beteiligte er sich mit 1.000 Gulden an einer Tabakmanufaktur, wobei er allerdings die Hälfte des eingesetzten Kapitals verlor.
- Im Jahr 1714 erfolgte der Vertragsschluss zur Wiedervereinigung der beiden Markgrafschaften Baden-Durlach und Baden-Baden für den Fall, dass eine der beiden badischen Linien im männlichen Teil aussterben sollte.
- Ab September 1714 ließ er in der größten Stadt der Markgrafschaft in Pforzheim das Zucht- und Waisenhaus errichten.
- 1715 Gründung von Karlsruhe und Erlass des Privilegienbriefs.
- 1718 investierte er in eine Tuch- sowie Tabakmanufaktur, die beim Pforzheimer Zucht- und Waisenhaus angesiedelt worden waren. Nach einigen Jahren wurden diese wieder aufgegeben und Karl Wilhelm musste den Verlust von 21.000 Gulden hinnehmen, was rund Dreiviertel des eingesetzten Kapitals entsprach.
- 1719 genehmigte er die Baupläne für die Errichtung zweier Badehäuser an der als heilkräftig eingeschätzten Sankt Barbara-Quelle in Langensteinbach. Sie wurden 1726 fertig gestellt. Das dritte, große Badehaus war 1728 fertig. Die Baukosten betrugen mehr als 4.000 Gulden, die Jahrespacht hingegen erbrachte nur etwa 100 Gulden.
- 12. Juli 1723: Karl Wilhelm brach mit großem Gefolge zu einer weiteren Reise und „Gemüthsergötzung“ nach Holland auf. Sein jüngerer Bruder war am 2. Mai 1723 verstorben, was ihm nahe gegangen war, da sie sich gut verstanden hatten. In Holland hielt er sich vier Wochen auf und nutzte den Aufenthalt neben Ausflügen auch zum Kauf weiterer Tulpenzwiebeln. Am 19. September kam er wieder in Karlsruhe an.
- Am Karfreitag 1726 fuhr er mit dem Erbprinzen, zahlreichen Hofbeamten und Hofsängerinnen in zehn sechsspännigen Wagen in das katholische Ettlingen, um die Prozession und das Schauspiel der Kreuzigung anzusehen. Da ihm die Aufführung gefallen hatte, kam er im folgenden Jahr erneut.
- Im Mai 1726 besuchte er für einige Tage die fertig gestellten Badehäuser in Langensteinbach.
- Am 22. Juli 1726 brach er zu einem einwöchigen Besuch nach Frankfurt auf, weil dort eine Agave blühte, was nur einmal in deren Leben geschieht.
- Am 22. September 1728 kaufte er für 7.622 Gulden das kleine Schlösschen „Voorhout“, welches vor den Toren von Haarlem lag.
- Vom 21. März 1729 bis 30. August reiste er wieder in die Niederlanden zu seinem kleinen hergerichteten Schlösschen mit Garten, in dem die Tulpenblüte ab dem 10. April erwartet wurde. Obwohl ihm sein neuer Besitz gefallen hatte, besuchte er ihn nicht mehr. Es war auch die letzte große Reise Karl Wilhelms. Das Schlösschen wurde vermietet, kam in einen schlechten Zustand und wurde 1738 für 1.800 Gulden an einen Marquis verkauft.
- In den Jahren um 1730 ließ er 20 Tulpenbücher erstellen und seine umfangreiche Tulpensammlung von Hofzeichnern darstellen. Lediglich vier dieser Bücher haben den Zweiten Weltkrieg überstanden.
- Karl Wilhelms Tante, Katharina Barbara, starb am 14. Januar 1733 in Sulzburg und vererbte ihren gesamten Besitz an ihn. Darunter befand sich auch der Besitz über den Ort Bauschlott.
- Am 12. Mai 1738 um 4:16 Uhr verstarb Karl Wilhelm im Karlsruher Schloss. Er wurde anschließend seziert und seine Eingeweide nach Pforzheim gebracht, wo sie in der Gruft der Schlosskirche „unter die Erden gethan“ wurden.
- Am 20. Mai fand seine Bestattung nachts in der Gruft der Konkordienkirche statt, über der sich seit 1807 die Pyramide befindet.
Ehe und Kinder
Er heiratete am 8. Juli 1697 in Stuttgart in kirchlicher Trauung die zwei Jahre ältere Prinzessin Magdalena Wilhelmine von Württemberg (* 7. November 1677; † 30. Oktober 1742), die Tochter des Herzogs Wilhelm Ludwig von Württemberg. Am 26. Juni hatten Friedrich Magnus als Vater von Karl Wilhelm und Herzog Eberhard Ludwig als Bruder und Vormund von Prinzessin Magdalena Wilhelmine den Ehevertrag unterschrieben. Die Mitgift für die Prinzessin betrug 32.000 Gulden, die der Herzog innerhalb von zwei Jahren in Raten bezahlte. Friedrich Magnus steuerte 8.500 Gulden „nach gehaltenem Beylager“ bei.
Es handelte sich um keine Liebesheirat. Sie wurde von beiden Eltern, auf Betreiben der beiden Mütter, arrangiert, um einerseits dem Haus Baden-Durlach einen Stammhalter zu sichern und andererseits die Stellung der beiden protestantischen Länder in unruhigen Zeiten zu stärken. Aus der Ehe gingen diese drei Kinder hervor:
- Karl Magnus (* 21. Januar 1701; † 11. Januar 1712 in Lausanne in der höheren Schule), beigesetzt im Basler Münster
- Friedrich (* 7. Oktober 1703; † 26. März 1732)
- Auguste Magdalene (* 13. November 1706; † 25. August 1709)
Karl Wilhelm als Markgraf
Amtsantritt
Der Zustand der Markgrafschaft zum Zeitpunkt der Herrschaftsübernahme durch Karl Wilhelm kann im Artikel Markgrafschaft Baden-Durlach nachgelesen werden.
Die erste Huldigung seiner Untertanen als Markgraf nahm er am 30. Juli 1709 in Durlach am Marktplatz im dort gelegenen dreistöckigen Wirtshaus „Krone“ entgegen. Das Haus war zu jener Zeit das beste und dafür geeignetste Gebäude am Platz. Es war innen mit schwarzen Tüchern ausgelegt worden. Ursache dafür könnte gewesen sein, dass nur wenige Kilometer südlich das kaiserliche Heer an der Ettlinger Linie lag und die Tatsache, dass Durlach 20 Jahre nach dem großen Brand 1689 immer noch sehr stark zerstört war. Auch war der Winter und das Frühjahr 1709 einer der härtesten Winter seit Menschengedenken gewesen. Es hatte ein vierzigtägiger Dauerfrost mit tiefen Temperaturen geherrscht. Teiche und selbst große Ströme froren europaweit bis zum Grund hinunter durch. Etliche Menschen waren selbst in ihren Häusern erfroren und Vögel sollen tot vom Himmel gefallen sein. Reben und Obstbäume waren ebenfalls erfroren und die Winterbepflanzung eingegangen. Die Nahrungsmittelversorgung war äußerst angespannt und es gab wieder Hungersnöte.
Zur Huldigung hatten sich alle Bürger und deren konfirmierte Söhne aus Durlach und Mühlburg sowie die Bauern aus der jeweiligen Umgebung einzufinden. Die Anwesenheit wurde mittels Listen durch die jeweiligen Ortsvorsteher kontrolliert, da diese Huldigungen übliche Pflichtveranstaltungen darstellten, an denen man nur mit einer guten Begründung entschuldigt fehlen durfte. Nach der vorgenommenen Huldigung der Repräsentanten wie Bürgermeister, Ortsvorstände, Rat und Gericht im ersten Obergeschoss der „Krone“ wurden die Bürger, rund 1.600 Personen, hereingerufen und mussten vor dem Markgrafen das Handgelübde ablegen. Durch dieses Hofzeremoniell wurde den Untertanen direkt und begreiflich vor Augen geführt, welche Verhältnisse galten, wer von nun an ihr Markgraf war und über welche Macht er gebot. Es war eine direkte, persönliche Form des Erlebens und somit auch für ungebildete Menschen greif- und verstehbar. Die Huldigung war in einer Zeit mit einem geringen durchschnittlichen Bildungsstand und dem Fehlen von Massenmedien unumgänglich.
Am 1. August wiederholte sich die Huldigung für die Bürger von Pforzheim, Stein und Langensteinbach und deren Umgebungen im Pforzheimer Rathaus. Zur Entgegennahme der Huldigungen aus dem Oberland wurde in Vertretung der Geheimrat von Menzingen geschickt, weil die Grenze im Süden des Unterlandes aufgrund der Kriegslage gesperrt war. Hinzu kam, dass Karl Wilhelm seine am 25. August verstorbene zweijährige Tochter beerdigen musste.
Führung der Amtsgeschäfte
Es ist überliefert, dass Karl Wilhelm am Anfang seiner Regierungszeit „alle Wochen“ vom frühen Morgen bis zum späten Abend gearbeitet hatte, bis er sich umfassend in die verschiedenen Aspekte der Regierung und Begebenheiten seines Landes eingearbeitet hatte. So bestand er darauf, möglichst alle Eingaben, Protokolle und Akten selbst lesen oder sich zumindest vortragen zu lassen. Nach einer Beratung mit seinen Räten traf er persönlich rasche Entscheidungen, eine Eigenschaft, die er sich in seiner vorherigen militärischen Laufbahn angeeignet haben dürfte. Er liebte eine klare Sprache und zeigte sich als rationell und realistisch denkender Mensch. So gab er seinen Beamten klare und eindeutige Befehle, wie er sie zuvor seinen Soldaten gegeben hatte. Häufig gliederte er seine Instruktionen in erstens, zweitens, drittens und so weiter auf. Widerspruch mochte er nicht. Er zeigte sich häufig detailverliebt und liebte es, Veranstaltungen und Feiern genau zu planen.
Verwaltungsvorgänge wurden penibel schriftlich festgehalten. So sind bis heute viele tausende Seiten an Protokollen, Memoranden und Instruktionen erhalten geblieben. Das noch von seinem Vater zum Neudruck in Auftrag gegebene geltende Recht in der Markgrafschaft ließ er am 29. Januar 1710 an seine Ämter verteilen.
Wöchentliche Audienz beim Markgrafen
Karl Wilhelm führte als erster Fürst im deutschen Raum eine Audienz für seine Untertanen ein, die jeden Dienstag stattfand. Diese half ihm einerseits dabei, die Sorgen und Nöte seiner Untertanen zu verstehen und gab ihm andererseits auch ein unmittelbares Feedback über Wirkungen von Verordnungen, der Arbeit seiner Beamten und der Stimmung im Land. Damit war er auch besser in der Lage, die Ratschläge seiner Berater einzuordnen.
Bekämpfung der Korruption im Staatsdienst
Der Markgraf brachte bereits zu Beginn seiner Regentschaft zum Ausdruck, dass er den Wert einer effektiven Verwaltung erkannt habe und führte strenge Kontrollen über die Tätigkeiten seiner Beamten ein. Er hob das Pflichtgefühl, in dem er großen Wert auf eine pünktliche und genaue Umsetzung seiner Weisungen legte. Bereits am 2. Juli 1709 bestimmte er per Verordnung, dass „Saumsaal und Fahrlässigkeit“ in den Ämtern geahndet werden würden. Weiterhin bekämpfte er die Korruption in einem Dekret vom 23. April 1710. Er bestimmte, dass alle seine Bediensteten „nicht das geringste annehmen dürfen, so lieb ihnen ist Unsere Gnad, ihr eigene Ehr, Charge und Reputation“. Alle beiden bei einer Bestechung beteiligten Parteien wurden ihrer Ämter enthoben und „an Leib und Gut gestraffet“. Unterschlagungen wurden je nach Höhe des Betrags ab 1730 mit Gefängnis, Landesverweis oder ab einem Betrag von 400 Gulden sogar mit dem Tod durch den Strang gestraft. Es wurde die Möglichkeit anonymer Anzeigen geschaffen, wodurch allerdings auch einem Denunziantentum mit all seinen Nachteilen Vorschub geleistet wurde.
Die Beamtenbesoldung
Die Beamtenbesoldung wurde individuell geregelt. Über Gehaltserhöhungen befand Karl Wilhelm persönlich. Seine handschriftlichen Notizen auf den Erhöhungsgesuchen sind bis heute erhalten geblieben. Einem Forstknecht, der um eine Gehaltserhöhung bat, beschied er: „Beruht auf sich, wie bishero; soll nicht so viel saufen, so kann er leben.“. Das Ansuchen eines Oberamts, welches einem armen Zolleinnehmer einen höheren Anteil an den eingezogenen Gebühren zugestehen wollte, beschied er mit dem Kommentar „Ich kann nichts davor; ich leide und er auch!“.
Religiöse Zugeständnisse
Karl Wilhelm wollte die konfessionelle Engstirnigkeit seine Untertanen durchbrechen und erlaubte den Jesuiten aus dem benachbarten Ettlingen, welches zur Markgrafschaft Baden-Baden gehörte, kranken Katholiken in Durlach die Sakramente spenden zu dürfen. Die weitergehende Glaubensausübung erlaubte er hingegen nicht und die Katholiken in seiner Markgrafschaft mussten sich zur Feier von Gottesdiensten und zu den üblichen kirchlichen Anlässen in das „katholische Ausland“ begeben. Im Süden des Unterlandes war dies die katholisch gebliebene Markgrafschaft Baden-Baden, im Norden das Fürstbistum Speyer.
Karl Wilhelm berief 1710 den katholischen Franz Leopold Beck von Wilmendingen an seinen Hof und ernannte ihn zum Geheimrat und Vizepräsidenten. Er erlaubte ihm auch in seiner Wohnung die Feier der heiligen Messe durch einen auswärtigen katholischen Priester.
Verwaltungsreformen
Karl Wilhelm bemühte sich erfolgreich, die Beamtenschaft und den Verwaltungsapparat zu modernisieren.
Regierungskabinett
Karl Wilhelm bildete ein Regierungskabinett, in welchem die wichtigen und geheimen Entscheidungen für den Staat getroffen wurden. Die Institution des Geheimen Rats blieb bestehen, wurde aber nun zu einem Vorbereitungs- und Beratergremium des Kabinetts.
Finanzen
Die Vermögen der Untertanen wurden in Listen erfasst, wodurch eine gerechtere Besteuerung bei der Schatzung ermöglicht wurde. Steuerhinterziehung wurde bestraft.
Die zu erwartenden Ausgaben wurden nun im Voraus ermittelt und darauf aufbauend die Steuern und Abgaben ausgerichtet. Da Karl Wilhelm selbst immer wieder Einzelentscheidungen traf und private und staatliche Finanzen miteinander vermischte, konnte dieses Prinzip nicht die ursprünglich gewünschte Wirkung entfalten. So ist beispielsweise im Rentkammerprotokoll vom 17. Juli 1716 dieser Abschnitt überliefert: „Serenissimus befehlen gnädigst, dass sämtliche in der Herrschaft Badenweiler und Sulzburg eingehenden Gelder zur ‚Chatoul‘ (bedeutet Privatkasse) geliefert werden sollen“.
Finanzentwicklung der Markgrafschaft
Die Rechte für den Verkauf von Tabak, Salz und Eisen wurden verpachtet. So erbrachte der Salzhandel im Unterland zwischen 1712 und 1718 jährlich 4.400 Gulden.
Im Jahr 1719 lagen die Ausgaben mit 399.965 Gulden unter den Einnahmen mit 405.606 Gulden. Fast die Hälfte der Ausgaben musste für die Hofhaltung, die Aufwendungen für Familienmitglieder und die Privatausgaben Karl Wilhelms aufgewendet werden. Letztere betrugen im gleichen Jahr 43.000 Gulden.
Karl Wilhelm musste sich als Regent immer wieder mit der Vorlage alter Inhaberschuldscheine von Gläubigern auseinandersetzen, die seine Vorgänger gezeichnet hatten. Dabei handelte es sich um „ewige Anleihen“, was bedeutete, dass sie weder einen festen Rückzahlungstermin besaßen noch ein Kündigungsrecht. Damit fielen die Zinsen auf den im Schuldschein genannten Betrag erst dann an, wenn der Schuldschein zur Rückzahlung vorgelegt wurde. Da die Schuldscheine auf keine konkrete Person ausgestellt wurden, konnten sie auch während der Laufzeit an andere Personen veräußert oder vererbt werden. So hatte einst Markgraf Ernst Friedrich im Mai 1592 einen Schuldschein über 4.000 Gulden zu 5 % Zinsen ausgestellt. Erben des ursprünglichen Geldgebers legten diesen im September 1721 nach 129 Jahren zur Rückzahlung vor. Inklusive der angefallenen Zinsen, die aber keine Zinseszinsen enthielten, verlangten diese 30.438 Gulden.
In einer Aufstellung der Rentkammer wurden so im Zeitraum zwischen 1709 und dem 24. Juli 1724 ungefähr eine Million Gulden an die Gläubiger ausgezahlt. Durch diese alten Schuldscheine lastete stets ein hoher finanzieller Druck auf der Markgrafschaft. Um die Einkommenssituation zu verbessern, versuchte Karl Wilhelm auch die alten Privilegien der Städte anzutasten. Die Pforzheimer beschwerten sich 1716 darüber, dass die von Karl Wilhelm geforderten Abgaben gegen ihre verbrieften Privilegien verstießen. Da deshalb von den Pforzheimern keine Zahlungen erfolgten, setzte Karl Wilhelm am 10. Januar 1718 eine letzte Frist. Die Geldzahlungen wurden anschließend zwangsweise eingetrieben. Einige Handwerker wurden inhaftiert. 1720 besetzten bewaffnete Pforzheimer Bürger vorübergehend das Pforzheimer Rathaus. Karl Wilhelm musste am 30. Juni 1723 schließlich 350 Soldaten nach Pforzheim entsenden, um die größte Stadt der Markgrafschaft zu besetzen. Die Soldaten wurden bei den Rädelsführern einquartiert und deren Vermögen gepfändet oder versteigert. Da die Pforzheimer aber den Großteil der Wertsachen zuvor aus der Stadt geschafft hatten, wurden dabei keine großen Beträge erzielt. In darauf folgenden Gerichtsentscheidungen unterlagen die Pforzheimer immer wieder. Dennoch beharrten sie weiterhin auf ihren Privilegien und Karl Wilhelm musste am 21. Februar 1726 500 Soldaten nach Pforzheim schicken, die dort am nächsten Tag um 9 Uhr einrückten, alle Waffen beschlagnahmten und eine Ausgangssperre verhängten. Die rebellischen Anführer und ihre Unterstützer hatten die Stadt zuvor verlassen und warteten im Umland am 5. März immer noch auf ein Pardon des Markgrafen. Dieser gab sich mit der erneuten Unterwerfung der verbliebenen Pforzheimer Bürger zufrieden. Der Abgabenstreit wurde schließlich durch einen Vergleich im Jahr 1730 beigelegt.
Die Stadt und Herrschaft Lahr geriet 1719 ebenfalls mit Karl Wilhelm in einen Rechtsstreit, weil dieser eine Steuer erheben wollte, die auch den verbrieften Privilegien widersprach. Die Angelegenheit wurde vor dem Reichskammergericht[10] in Wetzlar verhandelt und 1721 zugunsten von Lahr entschieden.
Von Durlach forderte Karl Wilhelm eine Abschlagszahlung in Höhe von 3.680 Gulden auf den Betrag in Höhe von 50.000 Gulden, den sein Vater 1707 anlässlich der erneuten französischen Bedrohung von Durlach an den französischen Marschall Claude-Louis-Hector de Villar als Tribut gezahlt hatte, damit die Stadt und das Land nicht erneut verwüstet werden würde. Die Durlacher wollten den Betrag auf 2.000 Gulden reduzieren.
Neben der strittigen Verhängung von Abgaben erzielte Karl Wilhelm auch Gewinne aus Staatsbetrieben. Die Eisenwerke im Oberland erbrachten einen jährlichen Gewinn in Höhe von etwa 30.000 Gulden. Der „Eisenhamer“, ein Hammerwerk in Pforzheim zur Produktion von Schmiedeeisen, konnte 1719 beinahe 5.000 Gulden Gewinn erwirtschaften. Die Betriebsführung entsprach dabei aber nicht modernen Gesichtspunkten. Die Rentkammer als zuständiges Amt sowie Karl Wilhelm selbst befanden darüber, was gekauft und repariert werden musste und welches Personal wann gebraucht wurde.
Eine weitere Einnahmequelle, wenngleich auch sehr gering, bot sich durch die Forstwirtschaft, die Karl Wilhelm als Pflanzenliebhaber besser verstand. Holz diente in Form von Brennholz als Energielieferant sowie als Bau- und Werkstoff und als Exportgut für waldarme Länder. Zusätzlich hielt sich das Wild im Wald auf, welches Karl Wilhelm gern in der Jagd erlegte. Durch den vorangegangenen übermäßigen Raubbau und die Kriegsereignisse hatte sich aber auch in der Markgrafschaft teilweise ein Holzmangel ergeben. Deshalb erließ er 1723 eine neue Forstordnung, in der geregelt war, wie mit dem Wald so umgegangen werden musste, dass er auch noch den Nachkommen nutzen konnte. Er war damit seiner Zeit um einige Jahrzehnte voraus. Die Forstmeister hatten dafür zu sorgen, dass gefällte Eichen nachgepflanzt wurden. Zusätzlich hatte jeder Bürger bis zu zwanzig junge Eichen unter Anleitung von Forstknechten zu pflanzen und diese in den ersten Jahren zu pflegen. Ging ein junger Baum aufgrund von Nachlässigkeit ein, musste pro Baum eine Strafe von einem Gulden gezahlt werden. Als Vergleichswert: Ein Forstknecht verdiente jährlich etwa 40 Gulden. Gemeinden, die mehr Holz aus dem Wald holten, als nachwachsen konnte, wurden mit einer Strafe von 15 Gulden belegt. Um alle Bürger über ihre Pflichten zu informieren, wurden alle 132 Artikel der Forstordnung in jeder Gemeinde vor den versammelten Bürgern verlesen.
Die im Dreißigjährigen Krieg verfallenen Stollen im Oberland ließ Karl Wilhelm wieder instand setzen und neue Stollen eröffnen. Die Erträge aus den Stollen wurden mit dem Zehnten besteuert und zusätzlich weitere Abgaben erhoben.
Im Jahr 1722 kam es zu einer Verschlechterung der Finanzsituation. Die Schuldenlast wird vermutlich über eine Million Gulden betragen haben. Da die Hofhaltung einen großen Teil der Staatsausgaben bestritt, kündigte Karl Wilhelm widerwillig an, die Dienerschaft zu reduzieren und die Gehälter der verbliebenen Dienerschaft sowie der Beamten zu kürzen. Beim Durlacher Kronenwirt lieh sich Karl Wilhelm im November 1724 3.000 Gulden. Im Mai 1725 lieh er sich weitere 5.000 Gulden. Im Jahr darauf sogar 8.500 Gulden. Im Jahr 1728 wurden erneut 7.000 Gulden von ihm geliehen. 10.000 Gulden gab der Basler Bankier Christoph Ehinger.
Viele Fürsten der Zeit verringerten den Edelmetallgehalt der von ihnen geprägten Münzen, wodurch das Geld entwertet wurde. Auch der schwäbische Herzog Eberhard Ludwig griff zu dieser Methode. Karl Wilhelm tat dies hingegen nicht, so dass das Geld seinen Wert behielt und forderte auch keine Bestechungsgelder bei der Vergabe von Ämtern oder bei Beförderungen von Bediensteten.
Ab 1731 versuchte Karl Wilhelm verstärkt die Finanzsituation neu zu ordnen. Ausgaben wurden erneuten Überprüfungen unterzogen. Besonders die unkalkulierbaren alten Schuldscheine seiner Vorfahren sollten durch Umschuldungen abgelöst werden. Er erreichte mit einigen Gläubigern auch einen teilweisen Schuldenerlass. Im Jahr 1732 wurde ein Finanzplan für den Zeitraum bis 1739 aufgestellt. Im Jahr 1732 betrug der Schuldenstand 803.952 Gulden. Bis 1736 sollte dieser Betrag auf 553.259 Gulden reduziert werden. Schmuck und Weinvorräte wurden verkauft und die Dienerschaft verkleinert, was für die Entlassenen eine schwierige Zukunft bedeutete. Auch die Hofsängerinnen und die Musiker wurden entlassen. 1733 verließ die letzte Sängerin das Schloss. Das Hoftheater wurde nicht mehr verwendet.
Im Jahr 1736 war der Schuldenstand gegenüber dem Jahr 1724 um mehr als die Hälfte reduziert.
Außenpolitik
Im Jahr 1722 zeichnete sich als Nachwirkung des Spanischen Erbfolgekriegs ein neuer Krieg ab, weil sich der spanische König Philipp V.[11] nicht mit den im Friedensvertrag vereinbarten Gebietsverlusten abfinden wollte. Für Karl Wilhelm stellte sich damit wieder drängender die Frage, wie sich seine politisch, wirtschaftlich und militärisch unbedeutende Markgrafschaft außenpolitisch verhalten sollte. Ein Bündnis mit Frankreich oder dem habsburgischen Kaiser hätte in einem neuen Kriegsfall wieder dazu geführt, dass kriegerische Auseinandersetzungen sehr wahrscheinlich auch in der Markgrafschaft stattgefunden und zu erneuten Zerstörungen geführt hätten. Somit verfolgte er die schon von seinem Vater verfolgte Idee einer Neutralitätspolitik, wie sie sich für die südlich gelegene Schweiz in der Vergangenheit vorteilhaft erwiesen hatte.
Deshalb entsandte er am 12. September 1722 seine beiden Geheimräte von Wallbrunn und Schmauß nach Wien, um dort klären zu lassen, ob eine Neutralität für das südlich gelegene Oberland möglich wäre. Dabei sollten sie beim Reichsvizekanzler Graf von Schönborn[12] und dessen Ministern auch um Verständnis für die besondere, exponierte Lage der Markgrafschaft werben. Die Geheimräte wurden mit ihrem Ansinnen abgewiesen. Da kein unmittelbarer Krieg drohte, wäre kein voreiliges Handeln notwendig. Falls es zu Kriegshandlungen käme, könnte eine Neutralitätserklärung immer noch abgegeben werden. Karl Wilhelm befahl den Geheimräten daraufhin, auch bei Prinz Eugen[13] vorzusprechen, der eine Neutralität jedoch sofort ablehnte, da er befürchtete, durch diese Neutralität in seinen militärischen Möglichkeiten zu sehr eingeschränkt zu werden. Ende April 1723 rief Karl Wilhelm seine Geheimräte deshalb wieder zurück, um die Kosten für deren weiteren Unterhalt in Wien zu sparen und weil kein Erfolg absehbar war.
Markgräfin Sibylla Augusta von Baden-Baden hatte das gleiche Problem wie Karl Wilhelm und versuchte es ihrerseits durch Heiratspolitik zu lösen. So verheiratete sie ihre Tochter Augusta Maria Johanna am 18. Juni 1724 in Rastatt achtzehnjährig mit dem Herzog Louis von Orléans, dem Enkel von Philipp I. von Orleáns[14] mit Liselotte von der Pfalz[15]. Da diese aber schon am 8. August 1726 an den Folgen der Geburt ihres ersten Sohnes in Paris starb, hatte sich die in diese Verbindung gesetzten Erwartungen nur kurzzeitig erfüllt. Karl Wilhelm besaß keine „offizielle“ Tochter, die er hätte verheiraten können, so dass sich ihm diese Möglichkeit der Außenpolitikgestaltung nicht bot.
Er suchte und fand daher die Freundschaft des polnischen Königs Stanislaus Leszczyńska[16], der in Weißenburg im Exil lebte und dort von den Franzosen geschützt wurde. Im Sommer 1724 besuchte ihn Karl Wilhelm in Weißenburg. Im Gegenzug wurde Karl Wilhelm auch zu den Feierlichkeiten anlässlich der bald bevorstehenden Hochzeit seiner 22-jährigen Tochter Maria[17] mit dem 15-jährigen König Ludwig XV.[18] im Mai 1725 in Straßburg eingeladen. Mit Zustimmung von Karl Wilhelm wurde Johann Christian von Günzer als ständiger diplomatischer Vertreter für König Leszczyńska an den schwedischen Hof entsandt. Als Stanislaus mit seiner Frau als Brauteltern nach der vollzogenen Hochzeit am 4. September 1725 nach Schloss Chambord aufbrachen, unternahmen sie offenbar nichts mehr, um sich für das Haus Baden-Durlach am französischen Hof einzusetzen oder um eine entsprechende Wirkung zu erreichen. Die Tochter war zwar königlicher Herkunft, der polnische König im Exil hatte aber keinen großen Einfluss, wie Karl Wilhelm enttäuscht feststellen musste.
Nach dem Tod des bayerischen Kurfürsten Max Emanuel am 26. Februar 1726, der zeitlebens mit Frankreich verbündet war, sorgte sein Sohn Karl Albrecht, der mit der jüngsten Tochter des österreichischen Kaisers verheiratet war, für einen diplomatischen Kurswechsel und beendete das Bündnis mit Frankreich. Die französische Diplomatie versuchte deshalb ihren Einfluss im Reich anderweitig zu vergrößern. Hiermit wurde der Franzose Theodor Chévignard de Chavigny betraut, der sich auch zwei Tage in der neuen Stadt Karlsruhe aufhielt. Er informierte Paris darüber, dass der Markgraf ein guter Deutscher „mit ziemlich bizarren Sitten“ sei. Letzteres war eine Anspielung auf Karl Wilhelms Umgang mit den Hofsängerinnen.
Karl Wilhelm schickte Ende 1726 Johann von Günzer nach Paris, da jener und seine Familie ein gutes Ansehen in Frankreich genossen. Er sollte dort sondieren, wie sich Frankreich zu einer Neutralität von Baden-Durlach stellen würde. Da Karl Wilhelm in Frankreich kein hohes Ansehen genoss, was sich auf seine in den Militärzeiten erworbenen Verdienste in den Kämpfen gegen die Franzosen gründete, sollte von Günzer darauf hinweisen, dass Karl Wilhelm seit seiner Regierungsübernahme keine militärischen Aufgaben mehr übernommen hatte. In Paris verhandelte von Günzer mit den Beratern von Kardinal André-Hercule de Fleury[19]. Die Franzosen lehnten eine Neutralität der Markgrafschaft Baden-Durlach zwar ab, erklärten aber, dass sie das Land im Kriegsfall freundlich behandeln würden, wenn der Markgraf dann dem Reich lediglich sein Regiment ohne weitere Unterstützung zur Verfügung stellen würde und der Vertreter im Reichstag sein Votum für die Ausrufung eines Reichskriegs gegen Frankreich bis zum letztmöglichen Zeitpunkt zurückhalten würde. Diese Abmachung sollte nur mündlich getroffen werden und geheim bleiben. Sobald von Günzer eine Vollmacht von Karl Wilhelm dazu vorweisen konnte, würde er zum Kardinal vorgelassen werden.
Weil nach seiner Entsendung ein kaiserlicher Kommissar am Reichstag, Baron von Kirchner wegen einer anderen Angelegenheit nach Karlsruhe kam, gab Karl Wilhelm als Begründung für die Abwesenheit von Günzer an, dass es nur um die Neutralitätsfrage der Herrschaft von Rötteln ginge. Da am Kaiserhof allerdings wohlbekannt war, dass Frankreich versuchte, Staaten des Reichs auf seine Seite zu ziehen, erregte die Entsendung nach Paris Misstrauen. Deshalb berief Karl Wilhelm von Günzer umgehend wieder zurück. Karl Wilhelm wandte sich nun direkt schriftlich an den Kardinal Fleury und bestätigte darin, dass er die französischen Bedingungen im Kriegsfall erfüllen würde. Der Kardinal ließ sich allerdings nicht festlegen und bestätigte nur, dass mit von Günzer zum gegebenen Zeitpunkt die Art und Weise verhandelt werden würde, wie Frankreich mit der Markgrafschaft umgehen wolle. Die Machtverhältnisse waren klar: Frankreich stellte eine Großmacht dar, während die Markgrafschaft dagegen eine nahezu unbedeutende Rolle spielte.
Karl Wilhelms Versuche, die Neutralität seiner Markgrafschaft zu erreichen, waren weitgehend gescheitert. Hofrat Schmauß kam einige Jahre später zur Einsicht, dass eine Neutralitätspolitik von Baden-Durlach undurchführbar wäre.
Der polnische Erbfolgekrieg
Am 1. Februar 1733 starb August II., genannt „August des Starke“[20]. Er war nicht nur der Kurfürst von Sachsen sondern auch König von Polen. Weil Frankreich den vorherigen polnischen König Stanislaus Leszczyński, der auch der Schwiegervater des französischen Königs Ludwig XV. war, wieder auf dem polnischen Thron sehen wollte, kam es zum erneuten militärischen Konflikt mit dem habsburgischen Kaiser Karl VI.[21]. Dieser und die russische Zarin wollten den Sohn von August dem Starken, Friedrich August II. von Sachsen[22], an der Spitze von Polen sehen.
Aufgrund der geografischen Lage war absehbar, dass die kriegerischen Auseinandersetzungen auch im Rheintal stattfinden würden. Deshalb vereinbarte Karl Wilhelm mit Markgraf Ludwig Georg Simpert von Baden den französischen Befehlshaber Marschall James Fitzjames, Herzog von Berwick[23] darum zu bitten, bei einem etwaigen Überqueren des Rheins auf Zerstörungen und Verwüstungen zu verzichten. Dies war jedoch nicht notwendig, weil der württembergische Herzog Eberhard Ludwig, der den Schwäbischen Kreis anführte, ebenfalls dazu entschlossen war, sich erst dann auf die Seite des österreichischen Kaisers zu stellen, wenn dieser den Schutz Südwestdeutschlands garantieren würde. Während die entsprechenden Verhandlungen zwischen Paris und Wien stattfanden, verhandelte der Herzog mit Fitzjames über einen freien Durchmarsch der französischen Truppen durch Württemberg.
Als der Herzog am 31. Oktober 1733 starb, besaß er keinen lebenden männlichen Nachkommen. Sein Nachfolger wurde sein katholischer Cousin, Karl Alexander[24]. Dieser befand sich zum Zeitpunkt des Todes von Eberhard Ludwig als kommandierender General in Belgrad in Serbien im Kampf gegen die Türken und stand fest an der Seite des Kaisers. Nachdem er sein Kommando übergeben hatte, reiste er nach Stuttgart und traf dort am 16. Dezember ein. Entgegen dem Testament seines Vorgängers verlegte er den Residenzsitz von Ludwigsburg zurück nach Stuttgart.
Die formale Kriegserklärung des französischen Königs gegenüber dem Habsburger Kaiser fand am 10. Oktober 1733 statt. Der französische König versicherte dabei den Reichsfürsten, mit ihnen in Frieden leben und keine Eroberungen machen zu wollen, jedoch müsse er Kontributionen erheben, weil eine so große Armee nicht ohne diese unterhalten werden könne. Am 14. Oktober belagerten die Franzosen bereits Kehl. Da die Festung nur unzureichend bemannt war, ergab sich die Besatzung bereits nach zwei Wochen. Damit hatten die Franzosen rechtsrheinisch einen Brückenkopf gebildet, den sie für weitere Operationen nutzen konnten.
Karl Wilhelm begab sich ins Exil in das Basler Palais. Die Beweggründe dafür sind nicht überliefert. Begleitet wurde er von den Hofräten Bürcklin und Schmauß. Die Exilanten nahmen dabei eine sichere Route durch den Schwarzwald und trafen am 19. Oktober 1733 in Basel ein. Seine Frau und seine Enkel ließ er in Durlach zurück. Sie machte am 4. Dezember ihr Testament und ließ ein Inventar aufstellen. Darin wurden 300 geistliche und 100 weltliche Bücher aufgeführt, darunter etliche Nachschlagewerke.
Da der Schwäbische Kreis nun ohne einen evangelischen Oberbefehlshaber war, wurde Karl Wilhelm das Amt angetragen, obwohl seine letzten militärischen Aktivitäten bereits mehr als 24 Jahre zurücklagen. Er lehnte den Oberbefehl ab, sicher auch mit dem Ziel, die Franzosen nicht unnötig zu provozieren. Somit erhielt der erfahrene Herzog Karl Alexander den Oberbefehl, obwohl er katholisch war. Vom Kaiser wurde er daraufhin am 6. Februar 1734 zum Feldmarschall ernannt.
Die Wiener Diplomaten versuchten die Reichsstände auf ihre Seite zu bringen. Sie argumentierten damit, dass Frankreich, würde es sich durchsetzen, mit Polen als Verbündetem das Deutsche Reich sowohl von Westen als auch von Osten bedrohen könnte. Hinzu wäre gekommen, dass Polen auch eine Grenze zum islamischen Erzfeind, dem Osmanischen Reich besaß. Am 9. April 1734 wurde daraufhin der Reichskrieg an der Seite des Kaisers gegen Frankreich beschlossen. Am 1. Mai drangen französische Truppen über Kehl vor und belagerten im Sommer die Festung Philippsburg. Das kaiserliche Heer konnte sie nicht daran hindern. Die Festungsmannschaft ergab sich am 18. Juli und durfte abziehen.
Während der Kampfhandlungen bemühte sich Karl Wilhelm um eine Neutralitätserklärung des Oberlandes. Trotz des Angebots an die französischen Unterhändler, „beträchtliche“ Bestechungsgelder zahlen zu wollen, war er nicht erfolgreich. Am 25. Mai erklärten der Kaiser und der französische König die Schweiz als neutral. Das Oberland wurde dabei nicht erwähnt. Der französische Kardinal Fleury ging wohl davon aus, dass Karl Wilhelm doch dem Kaiser näher stand, weil das kaiserliche Heer in seiner Markgrafschaft lag. Im österreichischen Breisgau galt Karl Wilhelms Landvogt von Günzer als französischer Spion. Die österreichischen Kommandanten von Freiburg und Breisach forderten deshalb die Entlassung von Günzer. Karl Wilhelm berief ihn deshalb zu sich nach Basel. Da die Spionagevorwürfe allerdings nicht nachließen, riet ihm auch Herzog Karl Alexander zur Entlassung. Der österreichische Vertreter in Basel, Giovanni Marchese di Prié forderte am 10. Juli 1735 schließlich seine Entlassung, woraufhin sich Karl Wilhelm fügte.
Im Frühjahr 1734 befahl er acht Beamten, zu ihm nach Basel zu kommen. Die Kosten für ihre Anreise sowie den Umzug ersetzte er ihnen allerdings aus Spargründen nicht. Erhalten gebliebene Mahnschreiben beantwortete er nicht. Seine Frau sprang schließlich ein, der er die Bezüge erhöht hatte. Durch die Beamten wechselte die Regierung de facto nach Basel und es wurde für das Oberland Verwaltungssitz. Für das Unterland blieb Karlsruhe als Verwaltungssitz erhalten. Die Berichte und Protokolle aus Karlsruhe und Durlach wurden nach Basel geschickt, wo sie von Karl Wilhelm zur Kenntnis und entsprechend abgezeichnet oder entschieden wurden.
Im September 1736 kehrte Karl Wilhelm wieder nach Karlsruhe zurück.
Die Hofhaltung
Im Jahr 1723 beschäftigte der Hof der Markgrafschaft Baden-Durlach ungefähr 500 Menschen. Die einzelnen Gruppen setzten sich so zusammen:
- 36 Personen kümmerten sich um die direkte Bedienung von Karl Wilhelm. Ob sich darunter auch Hofsängerinnen befanden, ist nicht bekannt.
- 110 Personen waren in den landwirtschaftlichen Betrieben in Rüppurr und Gottesau notwendig
- 80 Bedienstete im „Marschallambt“ beschäftigten sich mit der Aufrechterhaltung des markgräflichen Haushalts
- rund 70 Personen waren mit direkten Regierungsämtern betraut, wie dem Geheimrat, der Rentkammer, dem Hofrat und der Rechnungskammer
- 60 Personen gehörten der Hofkapelle an, waren für die Verwaltung der Privatkasse Karl Wilhelms zuständig und für den Betrieb der Oper notwendig
- 54 Personen wurden für den Betrieb des Marstall[25] benötigt
- 30 Personen waren im „Bauambt“ beschäftigt
- ca. 26 Personen zählten zu den „Jägerbedienten“
Alle Personen hatten sich an die seit 1693 geltende Hofordnung zu halten. Sie wurde immer wieder angepasst. Darin wurde geregelt, dass sich die Bediensteten „aller Gotteslästerung, auch ärgerlichen schändlichen Reden und Gebärden, darzu des übermäßigen Zutrinckens gäntzlich enthalten“ sollten. Bei Konflikten entschied der Hofmarschall sowie die entsprechenden Räte. An den Sonn- und Feiertagen und bei den täglichen Gebetsstunden galt die Kirchenpflicht. Die Köche wurden dazu angehalten, den Hofbediensteten die ihnen zustehenden Portionen auszugeben und sie nicht zu ihren Gunsten zu schmälern. Auch war das „fast in die Gewohnheit gezogene Frühstücken in Keller, Küchen, ConectCammer, Backerey“ zu unterlassen.
Vergehen wurden hart bestraft. Die jeweiligen Vorgesetzten hatten den Untergebenen die Hofordnung zu verkünden, da nur wenige von ihnen lesen konnten.
In den 1720er Jahren pflegte Karl Wilhelm eine dreitägige Arbeitswoche, die sich von Montag bis Mittwoch erstreckte. Sobald die Regierungsgeschäfte am Mittwoch abgeschlossen waren, wollte er bis zum nächsten Montag nicht mehr mit Regierungsbelangen belästigt werden, wenn sie keine besondere Dringlichkeit besaßen. Die inzwischen vermutlich gut arbeitende Verwaltung konnte und musste sich damit arrangieren.
Wirtschaftsführung
Karl Wilhelm lebte in einer durch die vorangegangenen Kriege armen Markgrafschaft und war ständig in Geldsorgen. Deshalb war für ihn die Förderung der Wirtschaft und die Gewinnung von zusätzlichen Einkünften wichtig. Durch seine Aufenthalte in Holland, England und in Italien konnte er die Wirkung, die Handel und Unternehmen auf eine Stadt und einen Staat entfalteten, aus erster Hand sehen und erleben. Neben der Lenkung der Wirtschaft versuchte er sich auch selbst als Investor und kaufte sich in Manufakturen in seiner Markgrafschaft ein.
Auch die Stadtgründung von Karlsruhe verfolgte zumindest teilweise die Absicht, die Wirtschaftstätigkeit anzukurbeln und finanzkräftige Neubürger aus dem umliegenden Ausland anzulocken. In gegenwärtigen Zeiten ist es immer noch wichtig, ausländisches Kapital und Investoren anzulocken und im Land zu behalten, da durch deren lokale Investitionen die Wirtschaftstätigkeit gestärkt oder mindestens erhalten wird.
Karl Wilhelm holte sich den Juristen Johann Georg Förderer von Richtenfels als Kammerprokurator[26] an seinen Durlacher Hof, der dort ab Januar 1715 zu wirken begann. Möglicherweise durch Förderer beeinflusst, orientierte sich auch Karl Wilhelm am Merkantilismus[27]. Gemäß dessen Ideen sollte versucht werden, durch einen Außenhandelsüberschuss Kapital in das eigene Land zu holen. Um einen Überschuss erzielen zu können, mussten mehr Waren in das Ausland exportiert als vom Ausland importiert werden. Um den Import wiederum zu reduzieren, wurden Zölle erhoben, welche die ausländischen Waren verteuerten und somit unattraktiver für die eigenen Bewohner machten. Als nützlicher Nebeneffekt bildeten Zölle eine zusätzliche staatliche Einkommensquelle.
Förderer von Richtenfels war möglicherweise auch an der Stadtgründung Karlsruhes beteiligt sowie an der Stiftung des Hausordens der Treue. Er fiel aber bald aus nicht bekannten Gründen in Ungnade und wurde schon 1717 wieder entlassen.
Die Tabakmanufaktur 1711 – 1712
Im Jahr 1711 beteiligte sich Karl Wilhelm mit 1.000 Gulden an der Tabakmanufaktur, die Löw Lämmlin in Durlach errichtete. Der Tabakkonsum, der ursprünglich als „Tabaktrinken“ bezeichnet wurde und nur mittels einer Pfeife erfolgte, hatte sich im Lauf der Zeit stark verbreitet. Der Tabakanbau war von den in Friedrichstal angesiedelten Hugenotten mitgebracht worden und lukrativer als der Anbau von üblichen Feldfrüchten, da es sich hierbei um eine Form von Luxuswaren handelte. Die Ernte, die bislang nach Mannheim, Speyer und Straßburg gebracht wurde, sollte nun in Durlach weiterverarbeitet werden. Die Hardtdörfer wurden deshalb angewiesen, ihre Ernte zukünftig nur noch nach Durlach zu bringen und ein Viertel bis zur Hälfte der Ackerfläche mit Tabak zu bepflanzen. Die Raucher beklagten allerdings, dass sie starkes Kopfweh vom Durlacher Tabak bekommen würden und verwendeten weiterhin nun illegal eingeführten Tabak. Im Jahr 1712 war rund die Hälfte des Kapitals Karl Wilhelms verloren und stieg deshalb wieder aus dieser Beteiligung aus.
Die Tuchmanufaktur 1718 – 1725
In Pforzheim erwarb Karl Wilhelm 1718 eine Tuchmanufaktur. Sie wurde dem dort befindlichen Zucht- und Waisenhaus angegliedert. Da sich die darin untergebrachten Personengruppen sehr voneinander unterschieden, war die erzielte Arbeitsleistung von keiner besonders hohen Qualität. Deshalb geriet die Manufaktur bald in Absatzschwierigkeiten.
Die Tabakmanufaktur 1718 – 1725
Auch diese Manufaktur wurde dem Zucht- und Waisenhaus angegliedert, weil dieses mit rund 200 Insassen theoretisch genügend Arbeitskräfte bot. Die Bauern hatten Tabakblätter mittlerer Qualität für 3 Gulden pro Zentner dort abzuliefern. An Herstellungskosten wurde 1 Gulden und 55 Kreuzer pro Zentner angesetzt. Der Verkaufspreis wurde mit 8 Gulden angesetzt, wodurch ein Gewinn von 3 Gulden und 45 Kreuzern erzielt werden sollte. Doch auch dieser Tabak fand keinen Anklang bei den Rauchern der Markgrafschaft. Trotz dem verhängten Einfuhrverbot von ausländischen Tabakwaren blühte der Schmuggel ungeachtet der hohen Strafandrohungen. Die Manufaktur wurde deshalb 1725 aufgegeben. Im Lager befanden sich bei Betriebsende noch 40.000 Tabakpäckchen zu jeweils 1,25 Pfund.
Die Geschäftsführer dieser als auch der Tuchmanufaktur veruntreuten zusätzlich auch Geld und Waren. Ende der 1720er Jahre verlor Karl Wilhelm etwa 21.000 Gulden, was rund Dreiviertel des eingesetzten Kapitals betrug.
Badehäuser in Langensteinbach
Bereits im Jahr 1684 kam die Idee auf, die als heilkräftig geltende Sankt Barbara-Quelle in Langensteinbach als Bad zu vermarkten. Karl Wilhelms Leibärzte bescheinigten dem Quellwasser eine gute Qualität und so genehmigte er 1719 die Baupläne für zwei Badehäuser, die 1726 fertig gestellt wurden. Ein drittes, großes Badehaus wurde 1728 eröffnet. Die Baukosten betrugen 4.000 Gulden, während die Jahrespacht lediglich 100 Gulden erbrachte, so dass auf längere Zeit kein Gewinn erreicht werden konnte. Allerdings war das Bad als Fürstenbad über die Grenzen der Markgrafschaft hinaus bekannt, so dass der schnelle, wirtschaftliche Vorteil nicht ein zwingendes Motiv für den Bau der Anlage gewesen sein muss.
Karl Wilhelm als Blumenliebhaber
Nach seinem Amtsantritt kaufte Karl Wilhelm in Holland zahlreiche Tulpenzwiebeln und stellte zwei Gärtner ein, die sich um die Gärten an der Karlsburg, am kleinen Schlösschen östlich desselben und vor dem Blumentor zu kümmern hatten. Die Gärtner, Joachim Sievert und Zacharias Gottschalk, die aus Holstein stammten, brachten die in Gottorf gepflegte Gartenkultur mit.
Im Sommer 1711, der spanische Erbfolgekrieg war noch nicht zu Ende und 30.000 kaiserliche Soldaten lagen an der Ettlinger Linie, befehligt von Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg, brach Karl Wilhelm mit seinem Gefolge auf eine Schiffsreise nach Holland auf, um in Haarlem Blumen für seine Gartenanlagen zu kaufen. Manche Tulpenzwiebeln kosteten pro Stück 10 Gulden, was dem halben Jahresgehalt einer Magd entsprach. In größeren Mengen ergaben sich Rabatte, die Karl Wilhelm nutzte. Um die Amtsgeschäfte kümmerte sich währenddessen der Geheimrat. Mit Hilfe eines französischen Passes konnte er sich frei auf dem Rhein bewegen und war von der Zollpflicht befreit.
Im Jahr 1713 ließ Karl Wilhelm ein Verzeichnis drucken, in dem die Blumen aufgeführt wurden, die er in seinen Gärten besaß. Es enthielt 2.121 Blumensorten, unter denen 1.163 Tulpenarten waren.
Im Sommer 1723 begab er sich mit großem Gefolge wieder nach Holland zur „Gemüthsergötzung“. Er blieb dort vier Wochen und kaufte dabei auch wieder neue Tulpenzwiebeln. Am 2. Mai war sein jüngerer Bruder Christoph 38-jährig verstorben, was ihm nahe gegangen war, weil sie sich auch gut miteinander verstanden hatten.
Am 22. Juli 1726 brach er zu einem einwöchigen Besuch nach Frankfurt auf, weil dort eine Agave blühte, wie dies nur einmal in ihrem Leben erfolgt. Er bestaunte dort auch zahlreiche andere „curiose Gewächse“. Nach seiner Rückkehr stellte er zusätzlich den Gärtner Johann Christian Thran an.
Der schwedische Professor und Botaniker Jacob Jonas Björnstahl lobte Karl Wilhelm in einem Brief aus Karlsruhe von 1774: der Markgraf „fand ein unbeschreibliches Vergnügen an Blumen und Gewächsen … Er hatte eine bewunderungswürdige Zuneigung zu Tulpen, von denen man auch im hiesigen Garten an fünf tausend Arten zählte, und die er alle mit ihren natürlichen und herrlichen Farben abzeichnen und mahlen ließ, wozu er verschiedene Zeichner hielt; diese Zeichnungen finden sich sämmtlich in der Bibliothek, und machen gegen zwanzig nichts als Zeichnungen enthaltenen große Folianten aus: sie geben zwar einen reizenden Anblick, sind aber in der Botanik ohne Nutzen. Hier trifft man auch über sechs tausend Pommeranzenbäume an u.s.w.“
Von den Büchen haben lediglich vier den Zweiten Weltkrieg überstanden.
Karl Wilhelm hatte in Baden den Anbau der Kartoffel eingeführt. Sie war von den Welsch-Neureutern mitgebracht worden. Die Bauern, die im Umgang mit der neuen Pflanze noch ungeübt waren, zeigten sich zunächst wenig begeistert. Im Jahr 1716 wurde aber auch der Zehnte von sporadisch angebauten „Grundbirnen“ entrichtet. Karl Wilhelm hatte sich allerdings nur wenig für den Anbau von Nutzpflanzen interessiert und das Potenzial der Kartoffel nicht richtig eingeschätzt beziehungsweise erkannt.
Karl Wilhelms Hofkapelle und die Hofsängerinnen
Bald nach seiner Rückkehr aus Venedig Anfang 1712 berief er einige italienische Musiker und Schauspieler an seinen Hof nach Durlach. Er brachte sie in dem Haus beim Blumentor unter, in dem zuvor Eberhardine Luise von und zu Massenbach gewohnt hatte und stellte ihnen eine Dienerschaft zur Verfügung. Darunter war auch der katholische Priester, Tonkünstler und Bassist Natale Bettinardo. Ihn ließ er in seinen Wohnräumen die heilige Messe nach katholischem Ritus halten.
Karl Wilhelm vergrößerte seine Hofkapelle nun fortlaufend. Im darauffolgenden Jahr schickte er die Hofmusikanten Engelhard und Schmidt auf seine Kosten für knapp ein Jahr nach Venedig. Sie warben dort weitere Musikanten an. Ebenso holte er die erste „Hofsängerin“ nach Durlach: Dorothea Michausin. Ihr Jahresgehalt betrug 30 Gulden. Mitte 1715 bestand die Hofkapelle aus 32 Musikern. Der Hofkapellenmeister Bonaventi erhielt dabei die gleiche Besoldung wie der Geheime Rat und Vizepräsident Beck von Wilmendingen. Die Kosten für die Hofkapelle hatten sich auf 5.400 Gulden erhöht.
Neben der Hofkapelle hatte er 1715, im Jahr der Gründung von Karlsruhe, noch 70 junge Schauspielerinnen, Tänzerinnen und Sängerinnen engagiert, die häufig aus armen Verhältnissen aus der Umgebung oder dem Umfeld der Markgrafschaft stammten. Das Ballett wurde seit 1713 vom Ballettmeister Jean Nicola Paret geführt, der auch den Tanzunterricht übernahm. Zu dessen Unterstützung wurde auch der französische Tanzmeister Marc Antoine Missoly verpflichtet, der eine Jahresgage in Höhe von 750 Gulden erhielt. Die Frauen übernahmen dabei auch die eigentlich für Männer vorgesehenen Rollen. Sie hatten neben ihren Bezügen auch Mägde und Wäscherinnen zur Seite gestellt bekommen. Karl Wilhelm kam darüber hinaus auch für die notwendige Tanz- und Gesangsausbildungen auf. Die Gesamtkosten beliefen sich auf einen Jahresbetrag in Höhe von 6.000 Gulden.
Karl Wilhelm wählte aus dem Kreis der jungen Frauen zahlreiche Gespielinnen, mit denen er auch zahlreiche Kinder zeugte, die als „natürliche Kinder“ bezeichnet wurden, siehe die nachfolgenden Abschnitte.
Die Künstler kümmerten sich um die Kirchen- und Tafelmusik. Sie führten Opern und Tänze auf und traten bei Empfängen, Gastmählern oder privaten Feiern auf. Zwischen 1712 und 1716 wurden so allein knapp 40 Opern einstudiert und aufgeführt.
Karl Wilhelm mochte den Karneval und besaß rund zwanzig „Carnevals-Kleider“, neun Perrücken und etwa 60 Masken. Auch die Markgräfin besaß 23 „Verkleidungs- oder Carnevalskleider“.
Im Jahr 1718 zogen nicht nur die Hofbeamten nach Karlsruhe um, sondern auch die Hofsängerinnen. Einige wohnten fortan im Schlossturm in extra für sie eingerichteten kleinen Kammern. In den oberen Etagen waren jeweils acht Kammern mit einer Größe von etwa zehn Quadratmetern eingerichtet worden. Der preußische Geografieprofessor Friedrich Leopold Brunn berichtete im Jahr 1789, dass im Turm immer noch 24 leere Stübchen oder Zellen enthalten seien und früher von ebenso vielen jungen Mädchen bewohnt wurden.
Karl Wilhelms Liebesleben
Karl Wilhelm hatte etliche Affären. Diese Leidenschaft pflegte er bereits als Erbprinz, sehr zum Missfallen seiner streng im lutheranischen Glauben verwurzelten Eltern. Als er Markgraf wurde, befand er sich an der Spitze des badischen Staates. Hier konnte er zwar seinen Affären ungestörter nachgehen, dennoch war er als Fürst unter Beobachtung seiner Umgebung, nämlich seiner Frau, den Untertanen, der evangelischen Geistlichkeit, der verschiedenen Fürstenhäuser und des katholischen Kaisers in Wien.
Aus dem Kreis seiner jungen, rund 43 bis 60 Hofsängerinnen bezog er auch seine Gespielinnen, mit denen er zahlreiche Kinder zeugte. Die Namen von insgesamt 144 Sängerinnen sind überliefert. Sie wurden ab 1928 irrtümlich als „Tulpenmädchen“ bezeichnet. Die Unterhaltungskosten für seinen „Harem“ waren deutlich geringer als der Unterhalt für eine Mätresse. Seinem Schwager, dem Herzog von Württemberg, kostete seine Geliebte mehrere Hunderttausend Gulden, er hingegen konnte für einen Betrag von jährlich rund 6.000 Gulden alle Sängerinnen unterhalten. Hinzu kam, dass die Gefahr von Geschlechtskrankheiten nahezu gebannt war, da die jeweils ausgewählten Frauen ausschließlich ihm zur Verfügung standen. Die Frauen, die aus einfachen Verhältnissen stammten, hatten ihrerseits kostenlose Unterkunft und Unterhalt zu erwarten. Ebenso konnten sie als nichtadlige Personen am Hof leben, teilten das angenehme Leben in einer adligen Gesellschaft mit den entsprechenden Beschäftigungen wie Ausritten und Besuchen, besaßen Dienstmägde, bekamen Anerkennung durch Bühnenapplaus, erhielten entsprechende Ausbildungen und waren in der Nähe des Markgrafen, dem ersten Mann in der Markgrafschaft.
Gemäß den Aufzeichnungen des preußischen Reiseschriftstellers von Pöllnitz[28] besaß Karl Wilhelm unter anderem diese Eigenschaften, die ihn seiner Meinung nach für die Frauen besonders begehrenswert erscheinen ließen: gefällige und einnehmende Manieren, überbordende Aufmerksamkeit und Freundlichkeit gegenüber Fremden, großes Wissen, Sprachkenntnisse und er konnte „höchst angenehme Unterhaltungen“ führen. Hinzu kam seine Unternehmungslust. Da die Frauen allesamt jung und auch naiv waren, wusste Karl Wilhelm dies für sich zu nutzen.
Im Jahr 1733 verließen die letzten 34 Hofsängerinnen das Schloss.
Außenwirkung
In der Markgrafschaft
Der Hof war selbstverständlich über Karl Wilhelms Liebesleben informiert und sorgte aktiv dafür, dass er seinen Vergnügungen nachgehen konnte. Der Oberstallmeister Löw von Löwencrantz informierte den 1717 neu an den Hof kommenden Durlacher Hofdiakon Johann Lorenz Höltzlein, der fortan als Oberhofprediger in Karlsruhe wirken sollte, umgehend über den „Umgang Serenissimi mit den Sängerinnen“. Dieser entgegnete, dass er die Lebensart nicht missbilligen würde, da man einen Fürsten nicht so einschränken könne.
Nach einigen Jahren kritisierte er jedoch das praktizierte Liebesleben von Karl Wilhelm. Da dies öffentlich wurde, wurde der Oberhofprediger bei einer Anhörung am 17. Oktober 1721 entsprechend befragt. Zugegen waren der Leibarzt von Karl Wilhelm, Dr. Johann Andreas Eichrodt, Löw von Löwencrantz und Hofrat Johann Jacob Schmauß, einem jungen Juristen, der erst seit Mai 1721 am Hof war. Der Prediger bejahte die Frage, dass Polygamie gemäß der Heiligen Schrift verboten sei und betonte, das Tun des Markgrafen gebilligt zu haben, in der Hoffnung, dass jener sein Verhalten ändern möge. Er habe allerdings von der „Lebensart“ des Fürsten „keine eigentliche genaue Notiz“ genommen. Im Anschluss an die Anhörung wurde er vom Markgrafen als Oberhofprediger entlassen und als Erster Pfarrer und Superintendent nach Pforzheim versetzt. Einige Monate später wurde er in eine 500 Einwohner zählende Gemeinde im Oberland versetzt, in welcher er theologische Bücher schrieb. 1732 wurde er Superintendent in Lörrach. Im Jahr 1739 starb er.
Diese Auseinandersetzung spiegelte das Problem wieder, wie Karl Wilhelm seinen ausschweifenden Lebenswandel mit der evangelischen Staatsreligion vereinbaren konnte. Er war als Markgraf auch Vorgesetzter aller evangelischen Geistlichen in der Markgrafschaft. Der Reiseschriftsteller Johann Georg Keyßler stellte bei seinem Besuch in Karlsruhe im September 1730 ebenfalls diese Frage. Er beantwortete diese Frage wie folgt: „Man macht alsdann gleichsam einen Accord und Vergleich mit Gott, kraft dessen man sich gewisse Favoritsünden vorbehält, im übrigen aber Gott seine andern Rechte ungekränkt zu lassen gedenket“.
Karl Wilhelm versteckte seine Hofsängerinnen nicht im Schloss, sondern sie begleiteten ihn auch bei Ausritten und Reisen, wo sie sich als Husaren[29] oder Heiducken[30] kleideten und somit auch als weibliche Leibgarde auftraten. Von seinen Besuchen in Basel ist überliefert, dass er „mit zahlreichem glänzenden Gefolge“ einritt. Im Jahr 1720 mit drei Kutschen „Weibervolk, welches sich sehr skandalös benahm“. Im Kabinett des markgräflichen Palais in Basel hingen zudem „scandaleuse Portraits“, die auch ehemalige Hofsängerinnen zeigten.
Außerhalb der Markgrafschaft
Der Publizist Karl Eduard Vehse, der als bissiger Chronist der Fürstenhöfe auftrat, bezeichnete die Zustände am Karlsruher Hof als „orientalische Paradiesesherrlichkeit“. Die Tatsache, dass im Schlossturm in den zahlreichen Kammern die Hofsängerinnen wohnten und darauf warteten, von Karl Wilhelm gerufen zu werden, beflügelte die Fantasie der Zeitgenossen Karl Wilhelms in besonderer Weise. In jener Zeit herrschten verschiedenste, meist völlig überzogene Vorstellungen vom Harem, den die osmanischen Sultane unterhielten, die auch auf die Zustände der besonderen Karlsruher Hofhaltung übertragen wurden.
Die Herzogin von Orléans, bekannt als Liselotte von der Pfalz, schrieb in einem Brief vom 15. Dezember 1718 an ihre Halbschwester Raugräfin Luise, sie habe vom „ridicullen serail“ Kenntnis. Weiter: „Ich habe schon von dem ridicullen Serail gehört, so der Margraff von Durlach helt. Wie ich jetzt von unßern Teütschen, es seye Fürsten oder ander Herrn höre, so seindt sie alle so närisch, alß wenn sie auß dem Dolhauß kämen; ich schamme mich recht davor.“. Am 14. September 1714 ergänzte sie in einem weiteren Brief, dass sie „schreckliche Geschichten“ über das skandalöse Leben des Markgrafen erfahren habe. Am 3. April 1721 schrieb sie unter anderem, sie „forchte, der margraff von Durlach seye ein narr in folio geworden“.
Friedrich Wilhelm I. von Preußen[31], der „Soldatenkönig“, stellte fest, „dass sich der Markgraf viele Huren hält“.
In Wien gingen Gerüchte um, dass sich Karl Wilhelm 300, 400 oder gar 500 Mädchen für seine Vergnügungen halten würde. Diese würden sich einen Spaß daraus machen, „sich einige Male vor seinen Augen vor Lakaien zu prostituieren“. Weitere Gerüchte besagten, sie würden ihn nackt am Tisch bedienen oder müssten sich nackt als Statuen im Garten aufstellen und dabei obszöne Gesten machen. Für weitere Gerüchte sorgte Ferdinand Friedrich Wölffing, der von 1716 bis Herbst 1719 Hofrat war und im Streit um die Besoldung ausgeschieden war und sich danach in Wien aufhielt. Dort gab er Insiderwissen aus Karlsruhe zum Besten, was sich schnell herumsprach. Karl Wilhelm sah sich deshalb dazu genötigt, seinen Hofrat Johann Jacob Schmauß zweimal nach Wien zu schicken, um dem entgegen zu wirken. Dazu ließ sich Karl Wilhelm von zwei Italienern, Natale Bettinardo und Philippo Scandalibene und zwei katholischen, kurpfälzischen Ministern schriftlich bestätigen, dass es keine in Wien kolportierte Vorfälle gegeben habe und geben würde. Er ging davon aus, dass insbesondere Aussagen von Katholiken mehr Vertrauen am katholischen Kaiserhof erwecken würden, als protestantische Zeugenberichte.
Bei einer zweiten Entsendung von Schmauß nach Wien ließ ihn Karl Wilhelm gegenüber dem Reichsvizekanzler erklären: dass, „Wir nach dem Exempel einiger Italiänischer Fürsten zum Gebrauch der Opern eine Anzahl von Sängerinnen […] unterhalten, welche neben dem Opernhauß beysammen logieren und um alle Exceße zu verhüten von allem Umgang mit Hofbediensteten und anderen Mannspersonen ausgeschlossen auch sonst in ganz besonderer genauer Disciplin eingeschrenket leben. […] Ob wir aber mit einigen von diesen Opern Sängerinnen nicht in anderweiter genauer Familiaritaet leben, erhalten wir vor eine Frage, darüber in dem deutschen Reich biß daher noch von keinem Fürsten, Grafen noch Edelmann eine Antwort abgefordert worden.“. Damit ließ Karl Wilhelm dem Kaiser verklausuliert mitteilen, dass der Umgang mit seinen Sängerinnen seine Privatangelegenheit wäre und sich darin niemand einzumischen habe. Mit seinem ehemaligen Hofrat Wolffing einigte er sich im Januar 1724 durch einen Vergleich.
Die öffentliche Aufmerksamkeit, die Karl Wilhelm ungewollt erzielt hatte, führte dazu, dass die Zahl seiner natürlichen Kinder in den 1720er Jahren deutlich abnahm.
Uneheliche Nachkommen, „natürliche Kinder“
Karl Wilhelm hatte in 15 Jahren etwa 20 dokumentierte, uneheliche Nachkommen, die als „natürliche Kinder“ bezeichnet wurden. Es gab vermutlich weitere, weil die Kindersterblichkeit bis zum ersten Lebensjahr im 18. Jahrhundert bei etwa 40 % lag, so dass in den erhalten gebliebenen Akten nicht alle Nachkommen aufgeführt sein müssen. Mit Ausnahme der ersten beiden Kinder, die von Eberhardine Luise von und zu Massenbach geboren wurden, waren die Mütter allesamt Hofsängerinnen. Als Taufpaten traten meistens Oberstallmeister Löw von Löwencrantz oder der Kammerdiener Friedrich Ziegler in Erscheinung sowie andere Hofsängerinnen.
Viele der Kinder wuchsen getrennt von den Hofsängerinnen auf. Als Hofrat Schmauß 1723 aus Wien zurückkehrte, wurde ihm von Karl Wilhelm befohlen, die Aufsicht über die Kinder zu übernehmen. In Folge zogen fünf Kinder und fünf Mägde in sein Haus ein. Dafür erhielt er in der Woche 2,5 Gulden pro Kind und einen Gulden pro Magd. Im Juli 1725 wollte er für seine Aufsicht zusätzliche 300 Gulden erhalten. Karl Wilhelm genehmigte ihm lediglich 100 Gulden und so kündigte Schmauß. Der Kammerdiener und Hofmusiker Lorenz Engelhard sowie seine Frau übernahmen daraufhin die Aufsicht über die Kinder.
Als Vormund für seine Kinder bestellte Karl Wilhelm am 10. August 1727 Hofmarschall Schilling von Canstatt, Hofrat Friedrich Anton Eccard und Rentkammerrat Johann David Rupp. Ihnen wurde in einem elfseitigen Dokument aufgetragen, wie die Erziehung der Kinder erfolgen sollte.
Fürstliche Fürsorge
Karl Wilhelm bekannte sich öffentlich zu seinen natürlichen Kindern und war einer der wenigen Herrscher jener Zeit, die dies taten. Er kümmerte sich großzügig um die Versorgung der Kinder als auch der jungen Mütter. Dies tat er, obwohl er und sein Staat ständig in Geldnöten war. Die Söhne enthielten in ihrem ersten Vornamen stets Carl, während die Töchter Carlina oder Carolina im ersten Vornamen führten. Seine Fürsorge ging sogar soweit, dass er mit seinem Bruder Christoph am 15. Mai 1717 eine Vereinbarung traf, in der geregelt war, dass sich der jeweils Überlebende weiterhin um die Mütter und deren Kinder des jeweils Verstorbenen kümmern sollte.
Da es zu teuer war, für die Hofsängerinnen Immobilien samt Grundstücke zu kaufen, durften sie Häuser in Karlsruhe erwerben, die sie von ihrer Bezahlung abzahlen sollten. Das erste Haus inklusive zugehörigem Garten kauften Susanna Deeg, Katharina Schwörer und Elisabeth Wiedmann. Das zweite Haus am 12. Dezember 1718 wurde von Marie Jacobina Geibelin, Justina Jungin und Elisabetha Apoldin für 600 Gulden gekauft. Weitere etwa elf Häuser wurden in den Folgejahren so von jeweils zwei bis drei Sängerinnen gekauft.
Ende 1722 wohnte rund die Hälfte der Sängerinnen nicht mehr im Schloss. Die Karlsruher nahmen dem Markgrafen sein Treiben mit den Sängerinnen offensichtlich nicht übel. Auch die Sängerinnen selbst waren geschätzt, wie auch die Tatsache belegt, dass zahlreiche Karlsruher Eltern die Sängerinnen um die Übernahme der Patenschaft für ihre Kinder baten. Im Jahr 1720 wirkte so bei rund jeder zweiten Taufe eine Hofsängerin mit. In Durlach lehnte jedoch der streng konservative Stadtpfarrer Johann Jacob Eisenlohr eine Sängerin, die als Patin auftreten wollte, mit den Worten ab „Hier ist nur für ehrbare Leute Platz“.
Wie Karl Wilhelm mit der Vielzahl von Hofsängerinnen zurechtkam, welche Vorlieben er hatte, welche Rang- und Reihenfolge galt oder wie er mit zwangsläufig auftretenden Streitigkeiten umging, ist nicht überliefert. Er scheute allerdings nicht davor zurück, Hofsängerinnen zu bestrafen, sofern dies erforderlich war. In den erhaltenen Akten sind zwei Fälle dokumentiert, in der jeweils eine Sängerin inhaftiert wurden. Die zweite, Maria Magdalena Willenda, wurde nach der Haft des Landes verwiesen. Der Grund der Verurteilung ist nicht überliefert.
Die Zahl der Sängerinnen wurde konstant gehalten. Schieden Hofsängerinnen aus, wurden sie durch neue ersetzt. Die ausgeschiedenen Sängerinnen wurden häufig mit niederen Bediensteten verheiratet und dadurch versorgt.
Karl Wilhelm verheiratete seine „natürlichen Töchter“ nach Möglichkeit im Alter von 12 bis 15 Jahren, sobald sich jeweils ein geeigneter und finanziell gut gestellter Kandidat für sie gefunden hatte. Dementsprechend groß war der Altersunterschied, was zu jener Zeit nicht unüblich war. Die Ehe wurde mit dem Erreichen des sechzehnten Lebensjahres vollzogen. Über das Schicksal der Töchter wurde bestimmt, sie hatten kein Mitspracherecht. Auch das war in jener Zeit üblich. Durch die frühe Verheiratung waren die Töchter versorgt, der Unterhalt für sie konnte eingestellt werden und die Gefahr ungewollter Schwangerschaften war reduziert.
Die ersten vier natürlichen Töchter wurden in einer gemeinschaftlich organisierten Feier am 21. März 1730 in der Schlosskapelle getraut. Diese Hochzeit organisierte Karl Wilhelm persönlich und regelte viele Details. Die Feier erfolgte im Schloss. Bei den folgenden Hochzeiten ließ sein Eifer allerdings nach. Die Feiern fanden nun im Wirtshaus statt und nicht mehr im Schloss. Auch den Umgang mit seinen Hofsängerinnen schien Karl Wilhelm um 1732 eingestellt zu haben. Die beiden letzten natürlichen Kinder wurden 1730 geboren. Wahrscheinlich rührte der Sinneswandel aus Schicksalsschlägen, dem zunehmendem Alter und dem schlechter werdenden Gesundheitszustand des Markgrafen. Der einzige Sohn seiner Schwester, der Herzogin von Württemberg, war 1731 an der Schwindsucht gestorben. Er selbst hatte seit Jahren mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen und sein eigener Sohn war eher kränklich und starb schließlich 1732. Seine Schwiegertochter hatte bei der Geburt des zweiten Sohnes den Verstand verloren. Karl Wilhelm machte sich Gedanken über die Zeit nach seinem Ableben und in welchem Zustand er seine Markgrafschaft hinterlassen würde.
Seine natürlichen Söhne behandelte er mit deutlich weniger Beachtung. Meistens wurden sie zu Handwerkern oder Beamten gegen Bezahlung in Pflege gegeben. Viele schlugen eine Militärlaufbahn ein. Auch Carl Friedrich Steiger, ein schwer erziehbares Kind, wurde beim Militär untergebracht. Dort erwies er sich aber als „incorrigable“ und wurde 1749 wieder in die Markgrafschaft zurückgeschickt.
Stadtgründung von Karlsruhe
Die offizielle Stadtgründung fand am 17. Juni 1715 mit der Grundsteinlegung am Schlossturm statt, siehe auch Stadtgründung Karlsruhe. Anlässlich dieses Ereignisses gründete Karl Wilhelm auch den Hausorden der Treue. Die ersten neun Ordensritter wurden noch vor der Grundsteinlegung ernannt.
Die Tatsache, dass die Markgrafschaft Baden-Baden nicht weit entfernt im Süden lag, störte den Markgrafen nicht, da er nicht davon ausging, dass zwei kleine Markgrafschaften militärische Auseinandersetzungen gegeneinander beginnen würden. Dazu waren die Territorien zu klein, zu arm und von den verschiedenen kriegerischen Ereignisse der vorangegangenen Jahrzehnte noch zu stark gezeichnet gewesen. Außerdem bestand ein gutes Einvernehmen zwischen den beiden Linien des Hauses Baden.
Karl Wilhelm soll den Grundriss für das neue Schloss und die Stadt selbst angefertigt haben. Einer beliebten Legende zufolge soll er zuvor im Hardtwald an einem Baum eingeschlafen sein. Im Traum sei ihm die Idee von der Stadtgründung gekommen, weshalb die neue Stadt den Namen Karlsruhe erhalten habe. Es existieren allerdings keine Aufzeichnungen, welche diese Legende stützen würden. Vermutlich wurde hier lediglich ein Ereignis im Lauf der Zeit umgedichtet, welches sich erst Jahre nach der Stadtgründung zugetragen hatte: Ende April 1721 weilte Karl Wilhelm eine Woche lang zur Auerhahnjagd auf dem Dobel. An einem Abend verirrte er sich aufgrund von schlechtem Wetter im Wald. Erst nachts wurde er von seinem Stallmeister unter einer Birke gefunden und zur Unterkunft zurückgebracht.
Karl Wilhelm wollte die Wirtschaft seines kleinen Landes wieder ankurbeln und den Wiederaufbau fördern. Im Sinne des Merkantilismus[32] sollten dabei die Investitionen im Land bleiben. Im Stil der Fürsten seiner Zeit wollte er hierzu eine neue, repräsentative Residenz schaffen. Das Verhältnis zwischen Karl Wilhelm und der Durlacher Bevölkerung war zudem angespannt, weil letztere von Einquartierungen, Abgaben und Frondiensten betroffen waren. Die hohen Ausgaben für die Hofhaltung und seinen Vergnügungen, der Blumengärten mit den teuren Pflanzen, der Hofkapelle und die Hofsängerinnen sowie Schauspielerinnen, sorgten darüber hinaus für schlechte Stimmung, zumal Schauspieler und Tänzer in schlechtem Ansehen standen, weil sie in jener Zeit zu den „unehrlichen Leuten“ gezählt wurden.
Das Karl Wilhelm nicht das beste Verhältnis mit den Durlachern hatte, bezeugt beispielsweise eine Überlieferung aus dem Jahr 1712, als der Durlacher Rat gegen die Wachgelder und das Quartier protestierte, welche für die markgräfliche Garde gestellt werden sollten. Es gab auch Uneinigkeiten darüber, wer für die Reparaturkosten für Stadttore, Türme und Gefängnisse aufzukommen habe. Die Handwerker und Krämer forderten immer wieder Schutz vor den jüdischen Händlern. Die Karlsburg war immer noch halb zerstört und für einen umfassenden Wiederaufbau und den Ausbau wollten die Durlacher keine Grundstücke zur Verfügung stellen.
Karl Wilhelm als Alchemist
Neben dem Versuch, sich als Investor zu betätigen und die Wirtschaft seiner Markgrafschaft zu lenken, versuchte sich der gebildete Karl Wilhelm auch in der Kunst der Alchemie[33]. Er hoffte wie viele andere darauf, unedle, günstige Metalle durch alchemistische Verfahren so veredeln zu können, das daraus wertvollere Metalle wie Silber oder Gold gewonnen werden konnten. Da die moderne Chemie erst im Entstehen war, betrieben auch viele Scharlatane die Alchemie, der sich jeder ohne eine entsprechende Ausbildung widmen konnte. Das Wissen, wie Metalle gezielt verändert oder veredelt werden können, wurde erst durch die späteren Wissenschaften der Chemie und Physik entdeckt.
Im Sommer 1717 wurde Karl Wilhelms Interesse durch die Nachricht des Lörracher Landvogts geweckt, der berichtete, dass ihm ein Jude ein Goldstück vorgelegt habe, welches von einem Franzosen „hergestellt“ worden sei. Ein Basler Goldschmied hatte die Echtheit des Goldstücks bestätigt. Natürlich stellte sich bei eingehender Nachforschung heraus, dass es sich um Betrug handelte. Zusammen mit einem Komplizen wurde der Franzose in Colmar inhaftiert.
Zwei Jahre später ließ Karl Wilhelm in drei Zirkelhäuschen, die nördlich hinter dem Karlsruher Schloss lagen, Laboratorien einrichten. Die Anschaffung von entsprechenden Gerätschaften kosteten 100 Gulden. Hinzu kamen rund 15 Angestellte, die sich an der Herstellung von Edelmetallen versuchten. Unter ihnen befanden sich Ärzte, Schmiede, Schmelzer, Apotheker und Bergleute. Bereits um zwei oder drei Uhr begannen die Schmelzarbeiten. Gegen sechs Uhr erschien Karl Wilhelm persönlich, um die Arbeiten zu beobachten und Anweisungen zu erteilen. Er arbeitete auch selbst mit. Die Arbeiten dauerten oft bis nach Mitternacht. Über die Versuche mussten Protokolle angefertigt werden, die bald einen Umfang von über 1.000 Seiten erreichten. Karl Wilhelm widmeten sich diesen ebenso wie Regierungsprotokollen, zeichnete sie entsprechend ab und kommentierte sie wie jene.
Ab 1719 bewarben sich von überall her auch Alchemisten um eine Anstellung. Viele wollten auch schlicht ihre „Rezepturen“ gegen Vorkasse verkaufen, was Karl Wilhelm stets mit Skepsis betrachtete. Bei manchen Angeboten ließ er teilweise Gutachten in Auftrag geben. Baron Paul Louis de Loys erhielt am 16. September 1719 einen Arbeitsvertrag auf Probe. Dieser hatte sich dazu bereit erklärt, die ersten vier Wochen ohne Entgelt arbeiten zu wollen. Da natürlich auch der Baron keine Edelmetalle erzeugen konnte, wurde er bald wieder entlassen. Gleiches galt auch für viele Leiter der Laboratorien, die sich jeweils nur wenige Monate halten konnten. Karl Wilhelm war in dieser Frage sehr ungeduldig und wollte schnelle Erfolge erreichen.
Am 9. Dezember 1720 kaufte Karl Wilhelm ein Rezept, welches versprach, aus Quecksilber in Verbindung mit anderen Metallen und dem Zusatz von Silber durch einen Pressvorgang mehr Silber zu gewinnen, als durch den vorherigen Zusatz hinzugegeben worden war. Natürlich war auch dieses Verfahren wirkungslos.
Die Führung der Laboratorien wurde wie die eines Amtes behandelt. Die Kosten und der Materialverbrauch mussten dokumentiert und begründet werden. Da sich aber keine wirkungsvollen Rezepturen oder Verfahren finden ließen, verlor Karl Wilhelm gegen Ende der 1720er Jahr schließlich das Interesse und ließ die Arbeiten beenden. Die kleinen Laboratoriumsgebäude wurden zu Unterkünften für Lakaien, Büchsenspanner, Vogelfänger und Brunnenknechte umgebaut und als solche verwendet.
Verschlechterung des Gesundheitszustands und Lebensende
Im Lauf der Jahre hatte sich Karl Wilhelm ein deutliches Übergewicht zugelegt und war starker Tabakraucher. Bereits einige Jahre vor seinem Tod begann er an Atemnot zu leiden. Häufig überfiel ihn diese nachts. Behandelt wurde er mit Aderlässen, die aber eher eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes bewirkten. Ab dem 45. Lebensjahr litt er auch immer wieder unter dem Abgang von Blasensteinen.
Im Jahr 1727 beauftragte er den Ingenieur Hemeling, ein Grabmal für ihn zu entwerfen. Dieser entwarf einen Obelisken, der dem Markgraf zusagte und den Bau eines Modells beauftragte. Die Inschrift sollte lauten: „Zuerst suchte ich hier Ruhe, in diesem Grabhügel hoffe ich sie zu finden. Nackt, ohne weltlichen Schmuck ruhe ich hier in dem unaussprechlichen Gott. Lebe wohl, du Stadt und Volk und habe immer den Frieden im Herzen, auf welchen Karl hofft!“. Der vorgesehene Ort für das Grabmal ist nicht mehr überliefert. Der geplante Obelisk wurde nie gebaut. Allerdings wurden vier Modelle mit einer Höhe von 3,6 Metern hergestellt, die in dem Raum standen, in dem er später aufgebahrt wurde.
Im Jahr 1728 ließ er auf beiden Eingängen des Schlosseingangs Tafeln anbringen, die von Löwen gehalten wurden und diesen Text in deutscher und lateinischer Sprache enthielten: „Anno 1715 war ich ein Wald, der wilden Tiere Aufenthalt. Ein Liebhaber der Ruhe wollte hier in der Stille die Zeit vertreiben, in Betrachtung der Creatur, die Eitelkeit verachtend, den Schöpfer recht verehrend. Allein das Volk kam auch herbei, baute, was Du hier siehest. Also keine Ruhe, solange die Sonne glänzet, als allein in Gott zu finden, welche Du, wann Du nur willst, auch mitten in der Welt genießen kannst. Anno 1728“.
Hofrat Bürcklin bewog Karl Wilhelm am Jahreswechsel 1735/1736 in seiner Exilresidenz in Basel dazu, sein Testament zu verfassen. Es wurde am 6. Januar 1736 in Reinschrift erstellt und enthielt 24 Abschnitte. Es wurde anschließend von Karl Wilhelm unterschrieben und jede Seite mit „CarlMBaden“ abgezeichnet. Es war auf seine Anordnung hin als Staatsgeheimnis zu behandeln und niemandem etwas daraus zu offenbaren. Seine Enkel Karl Friedrich und Wilhelm Ludwig wurden darin als Universalerben benannt. Sie mussten sich allerdings dazu verpflichten, keine Städte, Dörfer, Land oder Leute zu verkaufen, zu versetzen oder zu verpfänden, es sei denn aufgrund großer Not. Seine Frau Magdalena Wilhelmine sicherte er die bereits vereinbarten Unterhaltszahlungen zu. Ebenso tat er dies mit seiner geistig verwirrten Schwiegertochter und deren drei Kinder. Als Vormund für die drei Kinder bestellte er seine Frau und seinen Neffen Karl August. Die Enkel sollten den protestantischen Glauben beibehalten. Ferner sollten die Ausgaben für die Hofhaltung eingeschränkt werden, „so viel es die Anständigkeit zuläßt“. Ohne Not sollten keine Schulden gemacht werden und die bestehenden nach seinem Beispiel reduziert werden.
In seinem Testament wurde geregelt, dass es innerhalb eines Monats nach seinem Tod vor dem versammelten Hof- und Geheimratskollegium eröffnet und der Inhalt auch seiner Frau und den Neffen mitgeteilt werden sollte. In einem weiteren Schreiben, welches erst nach seinem Tod geöffnet werden durfte, waren Anweisungen an den Hofrat enthalten, die regelten, was nach seinem Tod geschehen sollte. Falls er in Karlsruhe gestorben sein sollte, wollte er in der Stadtkirche bestattet werden. Sollte er in Basel versterben, wollte er in einer der dortigen Kirchen „nur in der Stille und ohne aller ohnnöthige Gebräuche“ beigesetzt werden. Damit brach er mit der bisherigen Familientradition, in der Gruft der Pforzheimer Schlosskirche beigesetzt zu werden, wie dies seit dem 16. Jahrhundert üblich war.
Ab Mai 1737 hielt Hofrat Bürcklin offenbar keine Vorträge mehr, wie er dies in den vielen Jahren zuvor getan hatte, um Karl Wilhelm stets über die aktuellen Entwicklungen informiert zu halten. Seine Atemnot mit der damit verbundenen Schlaflosigkeit waren nun stark ausgeprägt.
Am 6. Juni 1737 erlitt er gegen 14 Uhr einen heftigen Krampf unterhalb der linken Wade. Im linken Arm und Fuß hatte er kein Gefühl mehr. Obwohl er sich davor fürchtete, wurde ein erneuter Aderlass vorgenommen. Die Kontrolle kam langsam wieder zurück. Am 3. Juli konnte er wieder auf dem linken Fuß stehen und ab dem 16. Juli wieder alleine einige Schritte gehen.
Bald darauf ging er wieder seiner nunmehr ruhigen Lebensweise nach. Nach seinem frühen Erwachen ließ er sich von seinem Kammerdiener einige Kapitel aus der Bibel vorlesen. Er hoffte nun auf ein „baldiges seeliges Ende, ohne lange Marter“.
Am 12. August verfügte er in Ergänzung seines Testaments für seine Nachfolger, dass kein Diener, der „treu und redlich“ seinen Dienst versehen hatte, „abgeschafft, ohne dringende Noth dimittirt oder … an den von Unß denselben geordneten Gehalt etwas abgeschnitten“ werden sollte. Sein Neffe Karl August musste die Umsetzung dieser Anweisung mit seiner Unterschrift bestätigten.
Die Regierungsarbeit litt unter dem schlechten Gesundheitszustand Karl Wilhelms. Hofrat Bürcklin berichtete am 10. März 1738 dem Hofratskollegium: „Allein wan Serenissimus mich nur sehen, so ist der Widerwillen wegen vermuteter Arbeit da“. Lediglich die dringlichsten Angelegenheiten regelte Karl Wilhelm noch selbst. Ansonsten lautete seine Anweisung: „mann solle thun waß mann recht und billich findet“.
Am Montagmorgen des 12. Mai 1738 stand er schon um vier Uhr auf und klagte über Unwohlsein. Sein Kammerdiener Eccard half ihm ans Fenster. Die Krämpfe und der Druck auf der Brust wurden stärker. Der herbeigerufene Leibarzt Dr. Textor besorgte eine Arznei, währenddessen die Atembeschwerden immer schlimmer wurden: „Ich muss ersticken, es ziehet mir alles zusammen“. Von der herbeigebrachten Medizin nahm er „nicht einmal den vierten Theil eines Löffels voll“. Er rief „Herr Jesus, Herr Jesus. Ich muß sterben … Herr Jesus dir lebe ich, dir sterbe ich, dein bin ich, dein bleib ich! Tot und lebendig! Gott sey mir gnädig“. Um 4:16 Uhr verstarb er bis dahin bei Bewusstsein geblieben „unter wiederholten diefen Seüffzern“.
Nach Karl Wilhelms Tod
Unmittelbar nach seinem Ableben wurden unter dem Beisein seines Neffen Karl August, der Geheimräte Üxküll und Schilling von Canstatt und der Hofräte Cellarius und Wielandt die Privaträume und Schränke versiegelt. Anschließend begaben sich alle zur Markgräfin in die Karlsburg um ihr zu kondolieren und um die notwendigen Maßnahmen bis zur Testamentseröffnung zu regeln. Die Amtsgeschäfte bis zur Testamentseröffnung wurden komissarisch auf die Räte Üxküll, Schilling von Canstatt, Cellarius und Wielandt übertragen. Für alle hohen und niederen Bediensteten musste Trauerkleidung auf Staatskosten beschafft werden, Todesanzeigen an die Verwandtschaft und befreundeten Höfe waren zu erstellen und zu verschicken. Kammerjunker überbrachten die Trauernachricht persönlich an die wichtigsten Höfe. Allein die Trauerbekleidung kostete rund 10.000 Gulden.
Karl August rief alle Räte zu sich und ließ sich ihre Treue versichern. Ein Stallmeister wurde nach Basel geschickt, um das dort deponierte Testament zu holen.
Am 13. Mai wurden die behandelnden Ärzte einbestellt sowie drei Chirurgen. Dies nahmen eine Obduktion vor, an denen einige hohe Beamte und Militärs teilnahmen. Die Organe wurden als gesund befunden. In der Gallenblase befanden sich fünf schwarze Steine von der Größe „einer gedürrten Kirsche“. Der Hofmaler Johann Ziegler, der auch bereits bei den Zeichnungen für die Tulpenbücher mitgewirkt hatte, wurde damit beauftragt, ein Bildnis des Verstorbenen anzufertigen, da sein Gesicht nahezu unverändert geblieben war. Der Leichnam wurde daraufhin einbalsamiert. Die zuvor entnommenen Eingeweide wurden noch am Abend von Dragonern begleitet über Durlach und Augustenburg nach Pforzheim gebracht und in der dortigen Gruft „unter die Erden gethan“.
Karl Wilhelms Leichnam wurde im Audienzzimmer seines Schlosses aufgebahrt. Er lag mit seinen normalen Kleidern auf einem mit schwarzem Samt bezogenen Paradebett. Links und rechts neben dem Bett standen jeweils vier Kerzenleuchter. Der Raum selbst war in Schwarz und Silber gehalten und die Fenster schwarz verhängt. Licht spendeten fünf Kronleuchter, zahlreiche Wandleuchten und vier Obeliskenmodelle, die in den Ecken des Raums standen. Die Untertanen konnten sich zwei Tage lang von ihrem Markgrafen verabschieden. Am Abend des 19. Mai erfolgte die Einsargung. Um 1 Uhr des nächsten Tages versammelte sich ein Trauerzug mit Fackelträgern, begleitet von Dragonern und Bediensteten. Zwölf Kammerdiener luden den Sarg auf einen Leichenwagen, der mit sechs Pferden bespannt war, die mit schwarzen Tüchern behangen worden waren. An der Stadtkirche hielt der schweigende Trauerzug und der Sarg wurde in die Kirche getragen. Der Trauerzug bewegte sich anschließend wieder zurück zum Schloss.
Nachdem die Stadtkirche 1807 abgerissen wurde, um den Marktplatz neu gestalten zu können, wurde zum Schutz der erhaltenen Gruft zuerst eine hölzerne und 1822 eine Steinpyramide errichtet. Damit ist Karl Wilhelm der einzige bekannte Stadtgründer in Europa, dessen Grabstätte sich an einem zentralen Platz seiner Stadt befindet.
Nach sieben Wochen versammelten sich am Sonntag, den 6. Juli 1738 rund 100 Trauergäste im Schloss zur offiziellen Trauerfeier. Überwiegend nahmen daran Bedienstete, Abgeordnete des Karlsruher Stadtrats und einige Vertreter benachbarter Höfe teil. Die Witwe und die Mitglieder der Familie ließen sich durch Adelige vertreten.
Die persönlichen Gegenstände Karl Wilhelms wurden im September 1739 versteigert. Seine Garderobe wurde an die Kammerdiener verteilt. Seine Karnevalskostüme waren von Motten befallen und damit unbrauchbar. Seine letzten drei 1730 geborenen „natürlichen Kinder“ Carl Johann Böhm, Carolina Eleonora Margaretha Schäublin und Carl Friedrich Steiger wurden in das Zucht- und Waisenhaus gebracht, um sie dort „erziehen zu lassen“.
Literatur
- Hans Merkle: „Carl Wilhelm. Markgraf von Baden-Durlach und Gründer der Stadt Karlsruhe (1679-1738)“. 2012, verlag regionalkultur, ISBN: 978-3-89735-722-8
- Hans Leopold Zollner: „...der sich in Carolsruh ein Eden hat erbaut – Ein Lebensbild des Markgrafen Karl Wilhelm von Baden-Durlach”. 1990, Verlag Badische Neueste Nachrichten, ISBN: 3-927725-07-2
Ausstellung
- „Karl Wilhelm 1679 - 1738“, Große Landesausstellung im Badischen Landesmuseum, 9. Mai bis 18. Oktober 2015. Zur Ausstellung erschien ein reich bebilderter Katalog im Hirmer-Verlag, ISBN: 978-3777423869.
Siehe auch
- Stadtgeschichte
- Stadtgründung Karlsruhe
- Markgrafschaft Baden
- Stadtwappen
- Johannisloge „Zur Pyramide“
- Stadtgeburtstag
- Illuminaten
- Hardtwald
- Fächerstadt
- Tulpenmädchen
- Wirkstatt-Projekt „Karl Wilhelm der Große von Baden-Durlach“
Weblinks
- Das Stadtlexikon Karlsruhe des Stadtarchivs zum Thema „Karl III. Wilhelm von Baden-Durlach“
- Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Karl Wilhelm von Baden-Durlach“
- Literatur über Karl Wilhelm von Baden-Durlach in der Landesbibliographie Baden-Württemberg
- Publikationen von und über Karl Wilhelm von Baden-Durlach im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Vorgänger Friedrich Magnus von Baden-Durlach |
Markgraf von Baden-Durlach 1709-1738 |
Nachfolger Karl August von Baden-Durlach |
Fußnoten
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Schwäbischer Reichskreis“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Gregorianischer Kalender“
- ↑ So wurden früher Hauslehrer genannt, die sich um die Erziehung von Kindern höherer Adeliger kümmerten. Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Hofmeister“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Kaiser Leopold I.“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Joseph I.“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Dragoner“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Wundbrand “
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Haarlem“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Karl VI. von Habsburg“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Reichskammergericht“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Philipp V., König von Spanien“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Adelsgeschlecht Schönborn“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Prinz Eugen“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Philipp I. von Orléans“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Liselotte von der Pfalz“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Stanislaus Leszczyńska“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Maria Leszczyńska“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Ludwig XV.“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „André-Hercule de Fleury“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „August der Starke“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Karl VI.“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Friedrich August II“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Marschall James Fitzjames“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Karl Alexander, Herzog von Württemberg“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Marstall“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Kammerprokurator“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Merkantilismus“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Karl Ludwig von Pöllnitz“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Husaren“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Heiducken“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Friedrich Wilhelm I. von Preußen“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Merkantilismus“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Alchemie“