Markgrafschaft Baden-Durlach
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Die Markgrafschaft Baden-Durlach war der Teil der ursprünglichen Markgrafschaft Baden, der zwischen 1535 und 1771 von der Baden-Durlacher Linie des Hauses Baden regiert wurde.
Geschichte
Nach dem Tod von Christoph I. von Baden teilte sich die Markgrafschaft Baden im Jahre 1515 in drei Teile, die seinen Söhnen Bernhard, Ernst und Philipp zufielen. Nach dem Tod von Philipp im Jahre 1533 fiel dessen Teil an seine Brüder zurück. Ernst führte in seinem Teil Badens die Reformation ein, Bernhard blieb katholisch.
Dadurch entstanden die protestantische „Ernestinische“ Markgrafschaft Baden-Durlach mit Residenz anfänglich in Pforzheim, dann in Durlach und später in Karlsruhe und die katholische „Bernhardinische“ Markgrafschaft Baden-Baden mit Residenz in Baden-Baden und später in Rastatt.
Im Jahre 1714 schloss Karl Wilhelm von Baden-Durlach mit der Baden-Badener Linie einen Vertrag, dass die beiden Linien wiedervereinigt werden sollten, falls eine von ihnen aussterben würde. Die Wiedervereinigung erfolgte im Jahre 1771.
Regierungen der Markgrafschaft Baden-Durlach
- Ernst I. von Baden-Durlach, Markgraf 1533 bis 1553
- Karl II. von Baden-Durlach, Markgraf 1553 bis 1577
- Anna von Veldenz , Regentin 1577 bis 1584, (Vormundschaftsregierung für Ihre Söhne)
- Nach der Übernahme der Regentschaft durch die Söhne Karls II. war die Markgrafschaft zunächst dreigeteilt. Nach dem Tod von zweien der drei Brüder aber unter der Regentschaft Georg-Friedrichs wiedervereint.
- Ernst Friedrich von Baden-Durlach, Markgraf 1584 bis 1604 (untere Markgrafschaft Baden-Durlach und Pforzheim)
- Jakob III. von Baden-Durlach, Markgraf von Baden-Hachberg in Emmendingen 1584 bis 1590 (die Markgrafschaft Baden-Hachberg fiel nach Jakobs Tod an seinen Bruder Ernst Friedrich)
- Georg Friedrich von Baden-Durlach, Markgraf 1604 (1584) bis 1622 (bereits seit 1584 Markgraf der oberen Markgrafschaft Baden-Baden)
- Friedrich V. von Baden-Durlach, Markgraf 1622 bis 1659
- Friedrich VI. von Baden-Durlach, Markgraf 1659 bis 1677
- Friedrich Magnus von Baden-Durlach, Markgraf 1677 bis 1709
- Karl Wilhelm von Baden-Durlach, Markgraf 1709 bis 1738
- Karl August von Baden-Durlach Markgraf, Regent 1738 bis 1746, (Vormundschaftsregierung)
- Karl Friedrich von Baden, Markgraf 1746 bis 1803, Kurfürst 1803 bis 1806, Großherzog 1806 bis 1811
Zustand der Markgrafschaft um 1709
Als Karl Wilhelm Markgraf wurde, fand er ein Land vor, welches sehr unter den Folgen des Dreißigjährigen Kriegs, des Pfälzischen Erbfolgekriegs und des Spanischen Erbfolgekriegs gelitten hatte. Allein die Kriegsfolgen des Pfälzischen Erbfolgekriegs wurden auf ungefähr neun Mio. Gulden geschätzt. Die Bevölkerung, die bereits im Dreißigjährigen Krieg stark dezimiert worden war, war erneut um rund 25% durch Tod und Flucht in benachbarte Länder zurückgegangen. Für die finanziellen Verluste gab es bei den beiden letzten Kriegen weder von Frankreich noch vom Deutschen Reich eine Entschädigung oder Unterstützung.
Territorium und Bewohner
Das Herrschaftsgebiet war in das Badische Unterland mit der Landeshauptstadt Durlach aufgeteilt und in das Oberland im Südwesten des heutigen Baden-Württemberg. Besonders das Oberland bestand aus einem wahren „Flickenteppich“. Die Gesamtfläche betrug ca. 2.300 km², in dem nur etwa 47.000 Einwohner lebten.
Im Unterland wohnten 24 jüdische Familien. Bis auf wenige Ausnahmen mussten die Bewohner neben ihren anderen Pflichten auch Frondienste[1] leisten.
Machtausübung und Verwaltung
Karl Wilhelm konnte absolutistisch herrschen. Er besaß alle Rechte, konnte Gesetze grundsätzlich nach eigenem Ermessen erlassen und Steuern „beliebig“ festlegen. Ihm war es möglich, in Gerichtsverfahren einzugreifen und bereits gefällte Gerichtsurteile abzuändern. Er konnte seine Religion wählen und die Untertanen hatten dieser zu folgen. Der Hofstaat und die Staatsverwaltung bildeten eine Einheit. Es wurde kaum zwischen den privaten Ausgaben des Markgrafen und des Staates unterschieden. Die Verwaltung war rückständig, es gab keine Haushaltsplanung und die Finanzverwaltung war deshalb nur in der Lage nachträglich die Ein- und Ausgaben zu kontrollieren. Somit gab es auch keine verlässlichen Informationen über die Höhe der zu erwartenden Ein- und Ausgaben.
Landstände[2], mit denen er sich hätte auseinander setzen müssen, gab es nicht mehr, weil sein Großvater, Friedrich VI., diese im Jahr 1668 aufgelöst hatte. Allerdings war er der Lehnstreue gegenüber dem Kaiser verpflichtet. Hierzu gehörte auch Reichssteuern an den Kaiser abzuführen, an Reichskriegen teilzunehmen und Reichs- und Kreisbeschlüsse auszuführen, wodurch seine Machtausübung eine Beschränkung fand. Eine seiner ersten Amtshandlungen bestand deshalb auch darin, das „Ansuchungs-Schreiben“ bezüglich der weiteren Belehnung abzugeben.
Der Markgraf regierte lediglich ein rückständig gebliebenes und von Kriegen gezeichnetes kleines Gebiet im Deutschen Reich. Er verfügte weder über ein stehendes Heer, noch über größere finanzielle Mittel, noch über genügend Einfluss, so dass er es sich nicht erlauben konnte, in die „große Politik“ des Reiches eingreifen oder „mitsprechen“ zu können. Außerhalb seines kleinen Landes war er einer von zahlreichen kleinen Herrschern im Reich. Als Realist wusste Karl Wilhelm, wo sein Platz innerhalb des Reichsgefüges war und besaß nicht den Ehrgeiz, höhere Würden anzustreben, wie beispielsweise sein Schwager Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg, der danach trachtete, die Kurwürde zu erhalten. Eine Verbesserung des Status war zu jener Zeit eine Frage des Vermögens und der beherrschten Gebiete und weniger eine Frage der persönlichen Verdienste oder des Charakters.
Der Regierungsapparat
Den bestehenden Regierungsapparat übernahm Karl Wilhelm von seinem Vater Friedrich Magnus. An der Spitze stand ein Geheimrat[3], an dem die Markgrafen regelmäßig persönlich teilnahmen. Ergänzt wurde die Apparat vom
- Hofrat, zuständig für wirtschaftliche und kulturelle Veranstaltungen sowie für das Polizeiwesen, die Wohlfahrt und die Justiz,
- dem Kirchenrat, zuständig für die Seelsorge und das Bildungswesen
- und der Rentkammer, einem Vorläufer der modernen Finanzbehörden, die aber auch für die markgräfliche Betriebe im Bergbau, der Fischerei, dem Bau- und Forstwesen zuständig war.
Darunter waren die Ämter angesiedelt, die von einem Amtmann geleitet wurden. Bei größeren Gebieten waren sie als Oberämter ausgelegt. Oberämter wurden von jeweils einem adeligen Landvogt[4] geleitet, der jeweils einen Amtmann an seiner Seite hatte.
Die Beamten waren noch nicht mit dem heutigen Beamtentum zu vergleichen, da sie nicht besonders gut entlohnt und sozial nicht abgesichert waren. Die Korruption war deshalb allgegenwärtig. Viele Beamte mussten/gingen zudem einer Nebentätigkeit nach. Hofrat Bürcklin, der 1709 „Visitationen der markgräflichen Kanzleiregistraturen“ vorgenommen hatte, klagte: „Er beziehe zurzeit, trotzdem er Tag und Nacht zu arbeiten habe, die nämliche Gage wie jeder andere Hofrat, der morgens um acht Uhr auf die Kanzlei und mittags um elf, oder wenn es lange währe, um halb zwölf wieder nach Hause gehe und dann nachmittags seinen Geschäften oder seinem ‚Plaisir‘ nachgehen könne“.
Zustand des Staatsarchivs
In den Kriegen waren die meisten Akten und Unterlagen des Staates vernichtet, verloren gegangen oder ausgelagert worden. So waren schon im großen Brand von Durlach 1689 im Rahmen des Pfälzischen Erbfolgekriegs nahezu alle Regierungsakten und das Kassenbuch des Unterlandes verbrannt, die in der Karlsburg aufbewahrt worden waren.
Steuereinkommen
Die Einwohner waren überwiegend Selbstversorger und der größte Teil der Staatseinnahmen entsprangen deshalb direkt der landwirtschaftlichen Produktion. Nur wenige Einwohner verfügten über Bargeld. Aus diesem Grund gab es auch keine Besteuerung von Geldvermögen. An eine Besteuerung gemäß der jeweils individuellen Leistungskraft war nicht zu denken.
Die zuverlässigste Einnahmequelle des Staates bestand in der „Schatzung“. Hierzu wurde das Sachvermögen eines jeden Untertanen, der über einen eigenständigen Haushalt verfügte, herangezogen und besteuert. Von dieser Steuer war der Adel und Klerus ausgenommen. Weitere Einnahmequellen boten Zölle und Verbrauchsteuern auf bestimmte Lebensmittel und Wein. Hinzu kamen noch die Einnahmen durch den Betrieb staatlichen Güter, aus dem Bergbau, dem Salzhandel, der Münzprägung sowie der Erhebung von Wegesteuern.
Nachrichtenwesen
Die Entfernung zwischen Ober- und Unterland betrug etwa 150 km. Die Post wurde durch zwei berittene Boten abgewickelt. Jeweils am Donnerstag ritten beide Richtung Norden bzw. Süden los und trafen sich Samstags auf halbem Weg in Lahr. Dort tauschten sie ihre Post aus und kehrten wieder an ihren Ausgangsort zurück.
Schulbildung und Religion
Die Schulbildung wurde von Geistlichen übernommen, sofern vor Ort kein Lehrer verfügbar war. Den Beruf des Lehrers konnte jeder ausüben, da es keine spezielle Ausbildung gab. Dementsprechend konnten sie in der Regel auch nur ein minimales Einkommen erzielen, welches sich auf dem Niveau einer Magd bewegte. Deshalb mussten die meisten Lehrer einen oder mehrere Nebenerwerbe ausüben. Häufig wurde das Gehalt in Form von Naturalien entrichtet oder eine unentgeltliche Unterkunft gestellt.
Es bestand noch keine Schulpflicht. Die Schulkinder mussten Schulgeld entrichten und meistens fand der Unterricht nur in den Wintermonaten statt. Der Lehrinhalt bestand aus der Vermittlung der grundlegendsten Kenntnisse im Lesen und Schreiben, der Kenntnis des Katechismus sowie Singen. Als übliche Lernmethode galt das Auswendiglernen. Ein einfacher Rechenunterricht wurde erst seit dem Jahr 1700 geboten.
Religiöse Minderheiten wurden geduldet und waren von Friedrich Magnus explizit angesiedelt worden, um die Bevölkerungszahlen in der Markgrafschaft erhöhen zu können. Allerdings wurden die Minderheiten immer wieder von der Bevölkerung und der lutherischen Geistlichkeit angefeindet, weil sie von letzteren als Konkurrenten empfunden wurden.
Den Katholiken war die Ausübung ihrer Religion verboten. Katholische Priester durften im Herrschaftsgebiet offiziell nicht seelsorgerisch tätig werden.
Die jüdische Bevölkerung durfte ihren Glauben leben und stand unter dem besonderen Schutz der Markgrafen. Diesen ließen sie sich allerdings durch die Bezahlung eines „Schutzgeldes“ entlohnen, was in jener Zeit auch außerhalb Badens eine übliche Praxis war. Der Betrag war jährlich zu entrichten und betrug in den Dörfern 25 Gulden. In Pforzheim und Durlach waren 40 Gulden zu bezahlen.
Bei seinem Amtsantritt hatte Karl Wilhelm versucht, von den Juden einen einmaligen Betrag in Höhe von 1.000 Gulden zur „Schutzerneuerung“ zu verlangen sowie einen Vorschuss in Höhe von 1.500 Gulden und ein jährliches Schutzgeld in Höhe von 60 Gulden. Da diese Forderung aber nicht eintreibbar war, blieb es bei der vorherigen Regelung.
Im Jahr 1713 mussten die in den Dörfern lebenden Juden allerdings in die Städte umziehen oder die Markgrafschaft verlassen, wodurch eine Erhöhung des Schutzgeldes erreicht werden konnte. Die Zahl der jüdischen Einwohner stieg dennoch, weil der Markgraf auch den Kindern seine Schutzrechte gewährte.
Die Justiz und das Gerichtswesen
Am 29. Januar 1709 ließ der Markgraf den noch von seinem Vater in Auftrag gegebenen Nachdruck des geltenden Rechts an alle seine Ämter verteilen. Darin waren im ersten Teil, der „gemeinen Lands-Ordnung“, auch die Pflichten der Untertanen und Amtleute geregelt, von „übermäßigem Zutrincken und Füllery“ bis hin zu „unordentlicher und köstlicher Kleydung“. Des Weiteren waren zahlreiche Gesetze, Gebote und Verbote zu etlichen Rechtsbereichen enthalten. Auch die „Bewahrung und Zuschließung der Thore“ und der Umgang mit „denjenigen Personen, so in Unsern Fürstenthummen, Graff-Herrschaften und Landen nicht geduldet werden sollen“ waren darin geregelt.
Im zweiten Teil, dem „Land Recht“ waren die Verfahren an den Hof-, Ehe- und Untergerichten enthalten sowie das Vertrags-, Erb- und Familien- und Strafrecht. Es enthielt auch die „Malefitz-Ordnung“, der noch aus dem späten Mittelalter entstammenden Strafprozessordnung, die unverändert aus dem Badischen Landrecht von 1622[5][6] übernommen worden war. Sie kannte noch keinen Verteidiger, lediglich einen Richter und Geschworene, welche die Rechtsprechung übernahmen. Nach der Verlesung der Anklage wurde der Angeklagte und Zeugen gehört. Für eine wirksame Verurteilung war stets ein Geständnis des Angeklagten erforderlich. Zur Erzielung von Geständnissen war deshalb auch die Anwendung der Folter erlaubt.
Todesurteile wurden von „Blutgerichten“ verhängt. Ein Amt war zur Verfolgung von Straftaten verpflichtet, sobald es davon Kenntnis erhielt. Die Ergebnisse waren einem Hofrat vorzulegen, der aufgrund der Aktenlage prüfte, ob weitere Ermittlungen notwendig waren, wozu auch der Einsatz der Folter zählte. Wurden die Ergebnisse als ausreichend erachtet, wurde das Amt dazu ermächtigt, ein Blutgericht einzuberufen. Wenn ein Todesurteil drohte, musste vor einem Geschworenengericht verhandelt werden, dem zwölf „gut beleumundete Beisitzer“ angehören mussten. Die gefällten Urteile wurden an den Hofrat gesandt, der sie wiederum dem Markgraf vorzulegen hatte. War er mit dem Urteil einverstanden oder hatte er es abgeändert, hatte das jeweilige Amt für die Vollstreckung des nun gültigen Urteils zu sorgen.
Das Strafrecht war einfach und brutal. Auch kleine Strafen wurden zum Teil mit der Todesstrafe geahndet. Jede Stadt und größere Ortschaften verfügten über Hinrichtungsstätten, die zur Abschreckung und zum Vollzug der Todesstrafe verwendet wurden. Die letzte öffentliche Hinrichtung eines Mörders in Baden fand am 9. August 1854 in Rüppurr statt.
Beispiele von erfolgten Rechtsprechungen aus jener Zeit:
- Ein Durlacher, der seine Frau mit Arsen vergiftet hatte, wurde mit dem Schwert enthauptet.
- In Badenweiler hatte ein lediger Bürgersohn unter der Folter gestanden, mit einer Eselin „Sodomiterei getrieben“ zu haben. Auch er wurde enthauptet mit Zustimmung der Geistlichkeit, mittels Gesang und Glockengeläut. Die Leiche wurde vor Ort an der Richtstätte beerdigt.
- In einem anderen Sodomiefall eines 14-jährigen mit einer Ziege sah man aufgrund des Alters von der Todesstrafe ab. Die Ziege wurde vor seinen Augen verbrannt. Er selbst, der zunächst auch befürchten musste, selbst hingerichtet zu werden, wurde „lediglich“ ausgepeitscht, des Landes verwiesen und musste schwören, das Land nie mehr zu betreten.
- Ein Württemberger, der mehrfach des Diebstahls überführt worden war, wurde gehängt.
- Ein anderer Dieb aus Durlach, der wiederholt kleine Diebstähle begangen hatte und erneut erwischt wurde, wurde „für ewig“ des Landes verwiesen.
- Eine Knielinger Frau, Mutter von sieben kleinen Kindern, die öffentlich Gott gelästert hatte, wurde zu einem halben Jahr Gefängnis in Pforzheim verurteilt.
Weblinks
- Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Markgrafschaft Baden-Durlach“
Fußnoten
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Frondienst“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Landstände“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Geheimrat“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Landvogt“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Badisches Landrecht 1622“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Maximilianische Halsgerichtsordnung“