Schaufahrt 1933
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Am 16. Mai 1933 veranstalteten die Nationalsozialisten eine von ihnen so genannte Schaufahrt, bei der sieben führende Sozialdemokraten auf offenem Polizeilastwagen quer durch Karlsruhe und danach ins neu eingerichtete KZ Kislau transportiert wurden.
Verlauf der Schaufahrt
Planung durch die Nazis
Die sieben Personen, die von den Nazis am meisten gehassten Karlsruher SPDler, waren: Hermann Stenz und August Furrer (verhaftet am 10. März), Ludwig Marum und Sally Grünebaum (verhaftet am 11. März, Marum widerrechtlich trotz seiner Immunität als Reichstagsabgeordneter), Gustav Heller und Erwin Sammet (verhaftet am 15. März), schließlich noch Adam Remmele, der am 4. Mai in Hamburg verhaftet und noch am selben Tag ins Karlsruher Bezirksgefängnis in der Riefstahlstraße eingeliefert wurde. Die frühen Verhaftungen machen deutlich, dass die Schaufahrt schon von langer Hand geplant worden war. Verantwortlich dafür waren Reichsstatthalter und Gauleiter Robert Wagner und Innenminister Karl Pflaumer. Eine demütigende Schaufahrt dieser Größe gab es während der gesamten Nazidiktatur nur in Karlsruhe, eine kleinere (mit „nur“ zwei Personen) auch in Dresden.
Durchführung
Bereits am Montag, dem 15. Mai 1933, wurde im Karlsruher Naziorgan „Der Führer“ deutlich angekündigt, was die Nazis mit den im Gefängnis in der Riefstahlstraße inhaftierten prominenten Sozialdemokraten vorhatten. Unter der Überschrift „Das Wandern ist des Müllers Lust“ erschien dann tags darauf in „Der Führer“ auf Seite 3 ein längerer Artikel, der im typisch zynischen Nazijargon darauf hinwies, dass die „größten badischen Novemberverbrecher heute um 11 Uhr vom Gefängnis zum Polizeipräsidium gebracht und später von dort nach Kislau überführt werden“. Kein Karlsruher Volksgenosse solle „versäumen, ihnen ein letztes Lebewohl zuzurufen“.
„Novemberverbrecher“[1] war auch ein Schimpfwort Hitlers für die Berliner SPD-Regierung und die Unterzeichner des Versailler Friedensvertrags. Es wurde seit 1923 gebraucht und war gleichbedeutend mit „Vaterlandsverräter“. Den Bezug bildete die sogenannte Novemberrevolution 1918, durch die das deutsche Kaiserreich in eine Republik mit Friedrich Ebert als erstem Präsidenten umgewandelt wurde. Die Bildung der sogenannten „Dolchstoßlegende“[2] steht damit im engen Zusammenhang: Dem „im Felde unbesiegten“ deutschen Heer sei durch die Revolution 1918 ein Dolchstoß in den Rücken versetzt worden, so die feste Überzeugung und beständig wiederholte Behauptung der republikfeindlichen Kräfte, die damit die Niederlage des deutschen Heeres im 1. Weltkrieg verschleiern wollten. Die Nazis schlachteten diese Lüge für ihren Kampf gegen die „Novemberverbrecher“ aus, zu denen schließlich alle gezählt wurden, die sich gegen die totalitäre Nazi-Ideologie richteten, selbst wenn sie nicht direkt an der Novemberrevolution beteiligt gewesen waren.
Demütigung durch die Gaffer
Die Karlsruher Bevölkerung folgte der zynischen Aufforderung der Nazis, bei der „Schaufahrt“ der sieben Sozialdemokraten dabei zu sein, überaus zahlreich und säumte dicht gedrängt die Fahrtstrecke vom Gefängnis in der Riefstahlstraße via Kaiserstraße, vorbei am Landtagsgebäude, dem Staatsministerium und dem bisherigen Metallarbeiterhaus bis hin zum Polizeipräsidium am Marktplatz, an manchen Stellen sogar in acht Reihen gestaffelt. Nicht nur wurden die Sieben durch Pfiffe, Gejohle und Pfui-Rufe gedemütigt, sondern die Menge intonierte sogar lautstark das „Müllerlied“, das bekannte Volkslied „Das Wandern ist des Müllers Lust“, das speziell dazu dienen sollte, Adam Remmele zu demütigen, der „nur“ gelernter Müller war. Das Lied wurde immer wieder von SA-Trupps gesungen, um damit Wahlkampfveranstaltungen zu stören, bei denen Remmele auftrat. Remmele reagierte sehr gereizt, wenn die SA dieses Lied anstimmte, und das war den Karlsruher Nazigrößen bekannt. So ließen sie also das Flugblatt „Die Überführung“, auf dem alle vier Strophen des „Müllerliedes“ abgedruckt waren, in großer Stückzahl entlang der Fahrtstrecke verteilen und stellten Kapellen zusammen, die ebenfalls entlang der Fahrtstrecke postiert waren und immer wieder „Das Wandern ist des Müllers Lust“ anstimmten. Dass viele Karlsruher begeistert mitsangen, ist durch Aussagen von Zeitzeugen bestätigt. So wurde aus der durch die Nazis so bezeichneten „Schaufahrt“ eine Schandfahrt für Karlsruhe.
Wiedergutmachung?
Diese Gedanken mussten auch den Karlsruher Oberbürgermeister Friedrich Töpper bewogen haben, bei der Stadtratssitzung am 25. Mai 1948 die Ernennung Remmeles zum Karlsruher Ehrenbürger vorzuschlagen, um dessen Demütigung wieder gut zu machen.
Literatur
- Günter Wimmer: „Adam Remmele – Ein Leben für die soziale Demokratie“, Verlag Regionalkultur, Ubstadt-Weiher 2009 ISBN: 978-3-89735-585-9
Weblinks
Fußnoten
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Novemberverbrecher“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Dolchstoßlegende“