Jüdische Gemeinde Bruchsal
In Bruchsal gab es seit dem ausgehenden Mittelalter bis 1940 jüdische Gemeinden.
Erste Gemeinde
Die erste jüdische Gemeinde in Bruchsal entstand im ausgehenden 13. Jahrhundert. Mit „Yssak“ (1288), „Salmanum“ (1320) und „Abraham“ (1333) sind erstmals Juden namentlich bekannt, die in Beziehung zu Bruchsal standen (zugleich aber auch in Verbindung mit der Stadt Frankfurt). Als Gesamtgemeinde sind die Bruchsaler Juden ab 1337 belegt. In diesem Jahr wurde ihnen ein Mitspracherecht beim Zuzug weiterer Juden nach Bruchsal eingeräumt. Belegt sind für diese Jahrzehnte der Besitz einzelner steinerner Häuser durch jüdische Familien. Einen jüdischen Friedhof gab es nicht. Die Toten wurden in Speyer beigesetzt, wohin die Gemeinde organisatorisch gehörte.
Eine Synagoge wird 1344 erwähnt, deren Lage in der „Judengasse“ vermutet wird, welche laut Roman Heiligenthal in etwa der Rathausstraße entsprach.
Im Zuge der „Pestpogrome“ kam es 1349 auch in Bruchsal zur gewaltsamen Vertreibung der Juden und die Gemeinde erlosch.
Zweite Gemeinde
Um 1380 herum wurde die Ansiedlung von Juden in Bruchsal gegen Zahlung wieder zugelassen. Nach und nach kamen einige Familien, bis auf Druck der Kurpfalz von wo die Juden systematisch vertrieben wurden, die Bruchsaler Familien gehen mussten und zum Teil in Landau neue Heimat fanden. Damit war auch die zweite Gemeinde erloschen. In den folgenden Jahrhunderten sprach man von der Synagoge und der Judengasse, soweit sie in Dokumenten genannt wurden, als „ehemalig“.
Dritte Gemeinde
Im Fürstbistum Speyer
Ende des 16. Jahrhunderts wurde mit „Jud Salomon“ eine Einzelperson mehrfach erwähnt, der längere Zeit in Bruchsal wohnte. In den sich anschließenden Jahrzehnten zogen verhältnismäßig mehr Juden nach Unter- und Obergrombach als nach Bruchsal.
Nach Ende des Dreißigjährigen Krieges war die Ansiedlung jüdischer Familien ausdrücklich erwünscht. Um 1648 waren derer acht in Bruchsal ansässig, 1683 waren es elf Familie. Schon 1652 beschwerten sich Bruchsaler Christen über die städtischen Juden, wurden von Fürstbischof von Metternich wies die Forderung nach Vertreibung der Juden aus Bruchsal zurück.
Zu den herausragenden Persönlichkeiten des frühen 18. Jahrhunderts gehört der Vorsteher der „Landjudenschaft“, Jakob Süssel (ca 1678 - 1752) , der ab 1704 bis zu seinem Tode im Amt war. Auf ihn geht der in der späteren Huttenstraße 2 gelegene so genannte „Süsselbau“ zurück, der 1730 entstand. Im Gebäude befand sich eine Privatsynagoge und eine Bibliothek mit wertvollen Schriften. Bis zum Bau eines neuen Gebäudes im Jahr 1802 war hier der religiöse Mittelpunkt der jüdischen 91,1Gemeinde Bruchsals. Anschließend diente es als Rabbinerwohnung und Sitz der Gemeindeverwaltung. Es wurde bei einem Bombenangriff auf die Stadt im März 1945 zerstört. 1744 erreichte Süssel gewisse Freiheiten für die Juden im Hochstift, die er schriftlich fixieren ließ.
Diese Freiheiten wurden ab 1770 durch die letzten beiden Fürstbischöfe wieder zurückgenommen. Lediglich der Bau der Synagoge in der späteren Friedrichstraße stieß 1801 auf keinen Widerstand.
Im Großherzogtum Baden und in der Weimarer Republik
1833 eröffnete die erste jüdische Schule in Bruchsal.
Die Bruchsaler Gemeinde war ab 1825 von 178 auf 609 Mitglieder im Jahr 1875 angewachsen, was 5,6% der Gesamtbevölkerung entsprach. Vor allem aus den umliegenden jüdischen Gemeinden Heidelsheim. Unter-und Obergrombach setzte eine Wanderung nach Bruchsal ein.
Diese Wanderung begünstigte die Anlage des Jüdischen Friedhofs im Jahr 1879. Die Leichenhalle des Friedhofs wurde 1890 fertiggestellt. Der erste Tote der dort aufgebahrt wurde war deren Erbauer, Ernst Wertheimer.
Unter Bezirksrabbiner Eschelbacher wurde Bruchsal (bis zu seiner zwangsweisen Auflösung 1939) Sitz des 1891 gegründeten „Landesvereins zur Erziehung israelitischer Waisen“, welcher alle badischen Waisenhäuser (außer jenem in Mannheim) betrieb.
Eschelbacher geriet jedoch immer wieder in Konflikt mit der Bruchsaler Gemeinde, die anders als der Rabbiner liberal eingestellt war, und zum Beispiel am Schabbat die Läden offen ließ. Gegen den Widerstand Eschelbachers fand 1895 in Bruchsal das erste badische Synagogenchorgesangsfest statt.
Dem allgemeinen liberalen Trend folgend kam es auch in Bruchsal zu einem Anstieg der Stadtgemeinde. 1911 gehörten ihr 711 Personen, also 4,6% der Gesamtbevölkerung an. Besonders aktiv waren Juden im Handel (1914: 76 jüdische Betriebe von insgesamt 186). Von den sieben Bruchsaler Eisenwarenhändlern waren sechs Juden. Beim Tabakgroßhandel waren es sechs von acht. Größere Bedeutung hatten die Handelsbetriebe Nöther, Oppenheimer und Katzauer . 1921 kam das Wellpappenwerk Bruchsal als weiterer bedeutender Betrieb dazu.
Über dem Reichsdurchschnitt vertreten waren aber auch Mediziner und Juristen.
Im Bereich der sozial tätigen Vereine, die es wie in anderen Orten auch in Bruchsal in etwa dem gleichen Umfang gab hatte der „jüdische Frauenverein“ eine Sonderstellung: 1872 gegründet, gab es bis zum Ende der Weimarer Republik in Baden nur zwei weitere vergleichbare Gruppen. Ihr Ziel war die Gleichstellung der Frauen innerhalb der jüdischen Gemeinde.
Insgesamt war die jüdische Gemeinde zwischen 1900 und 1933 in der Bruchsaler Gesellschaft integriert. Juden saßen in größerem Umfang in Stadtrat, Vereinsvorständen und nahmen grundsätzlich am gesellschaftlichen Leben Teil wie auch Nichtjuden teil jüdischer Feste waren.
Gleichwohl kam es immer wieder auch zu antisemitischen Übergriffen. Reichsweit bekannt wurde 1882 ein Übergriff der in Bruchsal stationierten Dragoner auf Juden und deren Häuser. Auch antisemitische politische Parteien waren in der Region mit gewissem Erfolg aktiv, anders als früher gab es aber ab den 1890er Jahren von jüdischer Seite Gegenwehr in Form von Schriften und auf politischer Ebene. Auch während der „Weimarer Republik“ waren völkische und antisemitische Parteien bei Wahlen erfolgreicher als im badischen oder reichsweiten Durchschnitt.
Nationalsozialismus
Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme Anfang 1933 kam es wie überall im Reich zu Übergriffen auf Juden. Neben den reichsweit koordinierten Aktion kam es immer wieder auch zu Einzelaktionen, wie etwa den Angriff auf die Eisenhandlung Geismar am Holzmarkt. Der 16 Jährige Majer Majerowitz war nach einem Überfall vor seinem Elternhaus in der Orbinstraße der erste Bruchsaler Jude, der im April 1933 aus Deutschland floh.
Im Mai 1934 war Bruchsal die erste Stadt reichsweit in welcher Juden der Zutritt um örtlichen Schwimmbad gänzlich verboten war.
Im Zuge der reichsweiten Enteignung jüdischer Betriebe kam es auch in Bruchsal zu formal gesehen nicht gesetzlich gedeckten Übergriffen. Die gesetzliche Regelung kam im Juni 1938. Bis dahin waren bereits 65 % der Betriebe unter Druck geschlossen oder „arisiert“ worden. Zu den 44 verbliebenen Betrieben im Jahr 1938 zählten keine Metzgereien, Vieh- und Eisenhandlungen mehr .
Anders als etwa in Heidelberg oder Karlsruhe war die Wohlfahrt der jüdischen Gemeinde in Bruchsal zwischen 1933 und 1935 wenig beansprucht worden. Auch danach war der Anstieg der empfangenen wie der gesammelten Hilfen vergleichsweise gering. Ausreisewilligen Juden, die an den staatlichen Finanzforderungen zu scheitern drohten leistete die Gemeinde aber so gut es ging Unterstützung.
Solange es noch möglich war, verstärkten jüdische Vereine in dieser Zeit ihr Angebot im kulturellen Bereich. Die zionistische Gruppe erhielt vergleichsweise großen Zulauf und ermöglichte einigen Bruchsaler Juden die Auswanderung nach Palästina.
Die jüdische Schule Bruchsal entstand Mitte 1935 und nutzte zunächst einen, später zwei Klassenräume der höheren Mädchenschule.
Durch Auswanderung und Sterbefälle sank die Zahl der Juden in Bruchsal bis 236 im Januar 1937. Die letzte Bar Mizwa wurde im Februar 1937 gefeiert, die letzte Hochzeit Ende Oktober1937.
Die letzte Jüdin, die in Bruchsal geboren wurde, war 1938 Susanne Ullmann. 1937 hatte es keine Geburten gegeben.
Im Zuge der Novemberpogrome 1938 wurden am frühen Morgen des 10. November die Synagoge und zahlreiche jüdische Geschäfte zerstört. Deren Inhaber wurden in „Schutzhaft“ genommen.
Nachdem im Zuge neuer Mietgesetze Juden aus ihren bisherigen Wohnungen gekündigt werden konnten, entstanden Reichsweit so genannte „Judenhäuser“. In Bruchsal befanden sie sich unter anderem in der Bismarckstraße 3 und 18 sowie in der Rabbinatswohnung Huttenstraße 2. Im Dachstuhl dieses Hauses fanden nach der Zerstörung der Synagoge auch die Gottesdienste statt.
Das Synagogengelände wurde von der Stadt unterhalb des Marktwertes gekauft.
Die Zahl der Juden in Bruchsal war von 501 (Juni 1933) auf 164 (Mai 1939) gesunken. Die letzte große Ausreisewelle folgte direkt auf den Novemberpogrom. Am 22. Oktober 1940 wurden die im Südwesten verbliebenen Juden ins Konzentrationslager Gurs deportiert. Aus Bruchsal kamen etwa 75 Menschen. Die in diesem Zug beschlagnahmten Vermögenswerte beliefen sich auf insgesamt 423.000 RM.
Nach der Deportation lebten in Bruchsal noch 8 Juden, die aufgrund ihrer Heirat mit Nichtjuden vorübergehend einen Sonderstatus innehatten. Von diesen wurden bei einer weiteren Deportationsaktion Ende April 1942 drei Menschen ins polnische Izbica verschleppt. Als Bruchsal am 2. April 1945 von französischen Truppen besetzt wurde, lebten noch 5 Juden im Ort, alles Frauen.
Gemeindevorsteher
- 1896-1913: Louis Marx
- 1914-1915: Berthold Bär
- 1915-1925: Rudolf Schloßberger
- 1925-1935: Max Strauss
- 1935-1938: Louis Katz
- 1938-1940: Fritz Bär
Bezirksrabbiner
Der Bruchsaler Rabbinatsbezirk umfasste neben der Bruchsaler Gemeinde auch die der umliegenden Orte, ab 1895 bis nach Liedolsheim und Graben. Neben Seelsorgerischer Aufgaben umfasste das Amt auch die Verwaltung einschließlich Visitationen und Finanzen. Weiters unterstand dem Bezirksrabbiner das Schulwesen.
1924 wurden die Bezirksrabbinate Bruchsal und Bretten zusammengelegt.
- 1740-1743:Isaak Weil
Zwischen 1752 und 1809 gab es Landesrabbiner, die für das ganze Bistum Speyer zuständig waren
- 1809-1821: Pelta Moses Epstein (1790-1809 Landesrabbiner)
- 1821-1822: Abraham Epstein
- 1822-1847: Elias Hirsch Präger
- 1847-1854: Moses Präger
- 1854-1870: David Friedberger (auch Isaak-Eisig Friedberg genannt)
- 1870-1876: Leopold Schleßinger (Rabbinatsverweser)
- 1876-1900: Joseph Eschelbacher
- 1900-1906: Max Doctor
- 1906-1911: Max Eschelbacher
- 1911: Ferdinand Straßburger (Rabbinatsvikar)
- 1911-1940: Siegfried Grzymisch
Literatur
- Jürgen Stude: „Geschichte der Juden in Bruchsal“ (Band 23 der Veröffentlichungen zur Geschichte der Stadt Bruchsal. Erschienen im verlag regionalkultur, 2007 ISBN: 978-3-89735-441-8
Weblinks
- Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Jüdische Gemeinde Bruchsal“
- Die private Webpräsenz von Alemannia Judaica zum Thema „jüdische Gemeinde Bruchsal“