Louis Oppenheimer OHG
Die Louis Oppenheimer OHG war bis 1938 eine in Bruchsal ansässige Tuchgroßhandlung.
Geschichte
Die Firma wurde als „Wollentuchfabrik Zacharias Oppenheimer“ 1803 durch den 26jährigen Zacharias Oppenheimer in Michelfeld gegründet. Ursprünglich diente sie als Zulieferbetrieb für den Handelsbetrieb des Vaters, Hajum Oppenheimer (1745–1809), dehnte ihren Geschäftsbetrieb innerhalb weniger Jahre jedoch deutlich aus. Bald waren 25 Mitarbeiter beschäftigt. Mit Herz Michel gab es zwischen 1808 und 1817 einen Teilhaber, der danach allerdings ausschied. In diesem Jahr wurden 300 Mitarbeiter beschäftigt. Die Firma produzierte überwiegend Stoffe für Militäruniformen, aber auch für andere Bereiche in denen Uniformen benötigt wurden. Die Expansion schritt voran, mit Einführung einer ersten Dampfmaschine wurde das Produktionsvolumen gesteigert. 1825 war sie an einer Ausstellung des „Kunst-und Industrievereins für das Großherzogtum Baden“ beteiligt, in dessen Katalog die Firma hervorgehben wurde.
Nachdem Zacharias Oppenheimer 1827 an einem Schlaganfall starb, übernahmen dessen sechs Söhne den nun unter „Zacharias Oppenheimer Söhne“ firmierenden Betrieb. 1849 musste der Betrieb wegen Absatzschwierigkeiten eingeschränkt werden. Drei der Teilhaber verließen im Lauf der Zeit den Betrieb, der unter der Leitung von Sigmund Oppenheimer (1801–1872) weiter expandierte. Nachdem dieser ebenfalls einen Schlaganfall erlitt und nicht mehr arbeitsfähig war, stand die Einstellung des Betriebs zur Diskussion.
Schließlich übernahm Louis Oppenheimer die Firma und zog Mitte 1860 aufgrund der dortigen Eisenbahninfrastruktur nach Bruchsal. Da dort vorwiegend Ölsacktücher produziert wurden, blieb der Standort Michelfeld mit dort produzierten Uniformtüchern vorübergehend bestehen. Erster Geschäftssitz war das angemietete Anwesen Poststraße 2.
Wie sein Vater und sein Großvater musste Louis Oppenheimer im Juni 1880 nach einem Hirnschlag die Geschäftsführung aufgeben. Sein ältester Sohn Jacob folgte ihm als Firmenleiter, als Alleininhaber blieb Louis bis 1887, bis er zuerst Jacob und 1901 den weiteren Sohn Otto als Teilhaber aufnahm. In diesem Jahr wurde der Betrieb in die Bahnhofstraße 4 verlegt. Auf dem angrenzenden Gartengrundstück wurde eine Lagerhalle erbaut.
Da Jacob und Otto Oppenheimer viel auf Reisen waren, wurde 1908 einmalig in der Firma für den Bruchsaler Stammsitz mit Wilhelm Boettigheimer ein langjähriger Mitarbeiter zum Prokuristen ernannt.
Im Oktober 1908 wurde in Berlin eine Vertretung eröffnet, welche von Otto Oppenheimer geleitet wurde. Sie befand sich zuletzt in der Berliner Friedrichstraße. Grund für die Erweiterung war die räumliche Nähe zu den relevanten Entscheidungsträgern in der Regierung und des Militärs, aber auch die Möglichkeit, den Absatz in Norddeutschland besser bedienen zu können.
Im Vorfeld des Ersten Weltkriegs stiegen die Umsätze aufgrund des gestiegenen Bedarfs. Als der Krieg 1914 begann, wurden nach und nach alle männlichen Mitarbeiter zum Kriegsdienst eingezogen, unter ihnen auch Otto Oppenheimer. Eine Kriegsfolge war auch die Schließung der obsolet gewordenen Berliner Geschäftsstelle.
Nach Kriegsende und dem damit verbundenen geringen Bedarf für Militäruniformen verlagerte der Betrieb seinen Schwerpunkt auf Stoffe für Feuerwehren, Sanitätsdienste und Musikkapellen. Der Bestand der liquidierten „Badischen Bekleidungsstelle“ konnte übernommen werden, was für den notwendigen Warenbestand sorgte.
Mitte der 1920er Jahre stieg die Zahl der Aufträge aus dem europäischen Ausland, vor allem in die Schweiz. Exporte gab es bis nach Finnland, Lettland und Jugoslawien. Diese Aufträge halfen dem Betrieb auch durch die Zeit der Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre.
Anfang 1928 warb die Firma damit, als einziger Betrieb das Recht zu haben, die Stoffe für die Anzüge der im Deutschen Sängerbund organisierten Chorsänger liefern zu dürfen.
Nach Regierungsübernahme der Nationalsozialisten kam es reichsweit am 1. April 1933 zu einer Boykottaktion gegen jüdischer Geschäfte und Einrichtungen durch die neuen Machthaber. Vor der Firma Oppenheimer übernahm die Blockade ein Firmenmitarbeiter in SA-Uniform. Im Nachgang zu dieser Aktion wurde es der Geschäftsführung untersagt, diesen Angestellten zu entlassen.
Nachdem Jacob Oppenheimer im September 1933 ebenfalls an einem Schlaganfall starb wurde Otto Oppenheimer alleiniger Inhaber und Geschäftsführer. Trotz der zunehmenden Einschränkungen (so wurde 1934 khakifarbener Stoff beschlagnahmt, weil er dem der NS-Parteiuniform zu sehr ähnelte) wuchs der Kundenstamm bis 1936 um etwa 1.800 Kunden.
1938 musste auf behördliche Anordnung der Schriftzug „Louis Oppenheimer, Militärtuch“ vom Firmengebäude entfernt werden. Die Kosten hierfür wurden der Firma auferlegt.
Im August 1938 übergab Oppenheimer aufgrund der absehbaren fortschreitenden Unterdrückung der Juden in Deutschland die Firma an Ernst Franke. Dieser war 1914 als Lagerist eingestellt worden und hatte ab 1934 eine zentrale Aufgabe im Vertrieb des Betriebs übernommen. Den Kauf der Firma finanzierte er mit Unterstützung des IHK-Präsidenten. Die Immobilien wurden durch einen Investor aus Ettlingen erworben und an Frankes Firma vermietet, die fortan als „Ernst Franke & Co GmbH“ firmierte. Beim Kaufpreis machte Franke angeblich ausstehende Lohnzahlungen gelten und drückte auf diese Weise den ohnehin zu niedrig angesetzten Wert.
Bei der Zerstörung Bruchsals durch Luftangriffe wurden am 1. März 1945 die ehemaligen Firmen- und Wohnräume vollständig vernichtet.
Literatur
- „Oppenheimer – Eine jüdische Familie aus Bruchsal: Spuren – Geschichten – Begegnungen“, von Thomas Adam, Thomas Moos und Rolf Schmitt (= Band 25 der Veröffentlichungen zur Geschichte der Stadt Bruchsal), Ubstadt-Weiher 2012; ISBN: 978-3-89735-747-1