Otto Bartning
Otto Bartning (* 12. April 1883 in Karlsruhe, † 20. Februar 1959 in Darmstadt) war ein Architekt und Hochschullehrer, der vorwiegend im Kirchenbau tätig war.
Leben
Otto Bartnings Vater, Carl Christian Georg Otto Bartning (1837-1911), war ein erfolgreicher Hamburger Überseekaufmann. Als Handelskaufmann konnte er sich bereits mit 40 Jahren zur Ruhe setzen, so dass Otto Bartning als Beruf seines Vaters „Jäger” angab. Seine Mutter, Jenny Doll (1853-1935), stammte aus einer badischen, evangelischen Theologenfamilie. Ihr Vater, Karl Wilhelm Doll (1827-1905), war Pfarrer und Hofprediger und später Prälat der badischen Landeskirche in Karlsruhe. Nach der Geburt des vierten Kindes beschloss die Familie von Hamburg nach Karlsruhe in die süddeutsche Heimat der Mutter zu ziehen, wo 1883 Otto Bartning im Haus am Zirkel Nr. 1 [1] geboren wurde. Der Wohnsitz der Familie Bartning war in der Kriegsstraße 51.
Otto Bartning wurde als fünftes von sechs Kindern in eine wohlhabende, gebildete und weltoffene Familie in Karlsruhe geboren. Seine Jugend war von der intensiven Beschäftigung mit Musik, Literatur und Philosophie geprägt. Sein Abitur legte er 1902 in Karlsruhe am Großherzoglichen Gymnasium ab. Lange blieb er sich unsicher, welchen beruflichen Weg er einschlagen sollte – Schriftsteller, Lehrer oder Architekt. Schließlich entschied er sich für das Studium der Architektur, band jedoch seine beiden anderen großen Leidenschaften zeitlebens in seinen Architektenberuf ein. 1902 nahm er sein Studium an der Königlichen Technischen Hochschule in Berlin-Charlottenburg auf. Er unterbrach es 1904 für eine Weltreise, die ihn nachhaltig beeindruckte. Danach studierte er noch ein Semester in Berlin und in Karlsruhe, verließ die Hochschule jedoch ohne akademischen Abschluss. Denn bereits seit 1905 arbeitete er an seinem ersten Bauauftrag, dem schnell weitere folgten. „Es sind so viele unverbrauchte Kräfte in mir und drängen mich nach Arbeit und Leistung, so dass ich zugreifen möchte. Zugleich fühl ich so deutlich, dass ich zu jedem Leisten noch viel fester sein, viel Festeres wissen sollte, und es drängt mich zum Lernen, zum Sammeln, zum Warten“, schrieb er am 16. Juni 1906 in sein Tagebuch. Wissensdurstig, offen und interessiert arbeite Bartning daran, Alternativen zum allgegenwärtigen historischen Architekturstil zu finden. Auf der Suche nach dem „neuen Gesicht“ von Kunst und Architektur beschäftigte er sich mit verschiedenen Reformbewegungen seiner Zeit und pflegte Austausch mit deren Vorkämpfern wie Paul Schulze-Naumburg und Otto March in Berlin sowie Hermann Billing, Max Laeuger und Karl Moser in Karlsruhe. Von 1926 bis 1930 war Bartning Gründungsdirektor der Bauhochschule in Weimar, die dort die Nachfolge des nach Dessau umgezogenen Bauhauses angetreten hatte. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Bartning in Neckarsteinach und Darmstadt tätig, beteiligte sich an der Wiedergründung des Deutschen Werkbundes und war von 1950 bis zu seinem Tod Präsident des Bundes Deutscher Architekten (BDA).
Wirken
Der Schwerpunkt von Otto Bartnings Arbeit lag von Anfang an im protestantischen Kirchenbau. Insgesamt verwirklichte er über einhundert Kirchen. Daneben verfaßte er architekturtheoretische Werke und baute zahlreiche Wohn-, Industrie- und Bürobauten und sowie Krankenhäuser und in Karlsruhe auch sein einziges Altenheim.
Nach dem Zweiten Weltkrieg schuf das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen in Deutschland ein Programm zum Bau von Notkirchen, dessen Bauabteilung unter Bartnings Leitung stand. Nach einheitlichen Plänen entstanden 43 Notkirchen unter Verwendung industriell vorgefertigter Holzbauteile und vor Ort verfügbarer Trümmersteine. Noch heute bestehende Kirchen aus diesem Programm sind in Karlsruhe-Weiherfeld die Friedenskirche und Pforzheim die Auferstehungskirche.
Bauten in der Region (Auswahl)
- Markuskirche am Yorckplatz in der Karlsruher Weststadt (1934–1935)
- Franz-Rohde-Haus, Altenheim in der Dragonerstraße Karlsruhe (1937/38)
- Friedenskirche in Karlsruhe-Weiherfeld (1949)
- Thomaskirche in Karlsruhe-Daxlanden (1958–1960)
- Wohnhaus Kundel, Karlsruhe (1956)
Bauten überregional (Auswahl)
- evangelische Friedenskirche, Peggau/Steiermark (1906)
- evangelisch-lutherische Kirche am Moltkeplatz, Essen (1910)
- „Pressa-Kirche“ aus Stahl, Internationale Presseausstellung („Pressa“), Köln (1928)
- Versuchssiedlung in Neckarsteinach (1946)
- 43 Notkirchen (1948–1951), darunter:
- Auferstehungskirche in Pforzheim (erste Kirche des Notkirchenprogramms, 1948)
- Leitung des Wiederaufbaus der Insel Helgoland (ab 1952)
- Sparkasse Heidelberg, Kurfürstenanlage 10/12 (mit Otto Dörzbach, 1957–1960)
Ehrungen
- Otto-Bartning-Straße in Karlsruhe-Knielingen
Ausstellung
- Otto Bartning (1883–1959). Architekt einer sozialen Moderne. 22. Juli bis 22. Oktober 2017 in der Städtischen Galerie
Literatur und Quellen
- Mehr als 100 Kirchen – Otto Bartning wurde vor 125 Jahren geboren, Artikel in der StadtZeitung vom 11. April 2008
- Dr. Leonhard Müller: Otto Bartning, in: Blick in die Geschichte Nr. 88
Weblinks
- Das Stadtlexikon Karlsruhe des Stadtarchivs zum Thema „Otto Bartning“ (verfasst von Manfred Koch, 2017)
- Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Otto Bartning“
- Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Notkirche“
- Offizielle Webpräsenz „Otto Bartning-Arbeitsgemeinschaft Kirchenbau e.V.“
- Literatur von und über Otto Bartning im Katalog der Badischen Landesbibliothek (BLB) zu Karlsruhe
- Das Stadtwiki Pforzheim-Enz zum Thema „Auferstehungskirche Pforzheim“