Heinrich Klumpp

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Heinrich Klumpp (* 20. September 1871; † 1940) war ein ehemaliger Obermatrose und Karlsruher „Revoluzzer“ in der Novemberrevolution 1918. Für die Nazis war er deshalb ein gefährlicher „Novemberverbrecher“, den sie mit gnadenlosem Hass verfolgten. Der Verfolgung entzog sich Klumpp durch Flucht nach Frankreich. Die SS spürte ihn jedoch in Bordeaux auf, wo er 1940 Selbstmord beging.

Geburt und Jugend in Karlsruhe

Otto Heinrich Klumpp wurde am 20. September 1871 in Karlsruhe, Grünwinkler Allee 1, als Sohn des Goldarbeiters Wilhelm Klumpp geboren. Kurz darauf zog die Familie um in die Spitalstraße 29. Häufige Wohnungswechsel folgten, bis die kleine Familie schließlich in der Kronenstraße 26 wohnte, wo auch Heinrichs Bruder Wilhelm 1887 geboren wurde, der schon 1915 im Frankreichfeldzug fiel. Klumpp hatte außerdem noch zwei Schwestern, Luise und Magdalena, die sich wegen großer psychischer Probleme schon früh behandeln lassen mussten.

Rechtsanwaltsgehilfe und Delinquent

Ausbildung bei RA Dr. Boeckh

Nach Beendigung seines Volksschulbesuchs wurde Klumpp 1886 Anwaltsgehilfe bei Dr. Max Ludwig Boeckh, einem renommierten Karlsruher Rechtsanwalt, der als Vertreter der Nationalliberalen Partei Mitglied im Karlsruher Kreisausschuss war. Klumpp, damals ebenfalls Mitglied der Nationalliberalen, konnte seine Tätigkeit bei Boeckh im Jahre 1891 unterbrechen, um seine Wehrpflicht bei der Kaiserlichen Marine abzuleisten, aus der er im Jahre 1894 entlassen wurde. Er nahm seine Arbeit bei Boeckh wieder auf und wurde durch diesen mehr und mehr mit Arbeiten für den Kreisausschuss betraut.

Es kam zu Unregelmäßigkeiten bei dieser Tätigkeit, die in der Unterschlagung von 400 Reichsmark kulminierten, die Klumpp für die Bezahlung von Spielschulden verwenden wollte. Die Unterschlagung flog auf und es kam zu einer Übereinkunft: Klumpp musste versprechen, die 400 Reichsmark zurückzuzahlen, was er auch tat, und seine Kündigung für 1912 einzureichen; dafür würde Boeckh die Sache nicht zur Anzeige bringen.

Gefängnisstrafe

Andere kleinere Delikte hatte sich Klumpp auch vorher schon zuschulden kommen lassen. Gegen ihn wurde 1896 Anzeige wegen Körperverletzung erstattet (Strafe 20 RM), 1903 wegen Beleidigung (Strafe 40 RM) und groben Unfugs, weswegen er zu 100 RM Geldstrafe verurteilt wurde. Dr. Max Boeckh starb im März 1913 und konnte somit seine schützende Hand nicht mehr über Klumpp halten. Die Unterschlagung wurde nach einer im Dezember 1913 erfolgten Anzeige gerichtlich verfolgt und es kam zu einem Prozess, in dem Klumpp nicht überzeugend beweisen konnte, dass er die 400 RM zurückgezahlt hatte. Er wurde zu einer Gefängnisstrafe unter Anrechnung der Untersuchungshaft verurteilt, die er vom 12. Juni 1914 bis zum 9. April 1915 in Freiburg absitzen musste.

Novemberrevolution 1918 und Folgen

Klumpp als „Revoluzzer“

Ab Januar 1917 leistete er seinen Kriegsdienst in Flandern ab und wurde ausgezeichnet, weil er drei Kameraden vor dem Tode gerettet hatte. Am 7. November 1919 war er am Matrosenaufstand in Kiel beteiligt, kehrte aber unmittelbar darauf nach Karlsruhe zurück. Am 9. November trat er nur als Flugblattverteiler in Erscheinung, aber am 11. November spielte er den „großen Revoluzzer“ in Karlsruhe. Klumpp hatte im Verlauf des Nachmittags in drei Gaststätten in der Karlsruher Altstadt ein Glas Bier um das andere getrunken. Dann machte er sich auf den Weg zum Karlsruher Schloss, sammelte unterwegs Gleichgesinnte, ließ eine Salve abfeuern, schlug dann mit dem Kolben gegen die verschlossene Tür des Schlosses und verlangte den Großherzog zu sprechen. Das wurde ihm aber verweigert. Allmählich bewirkte der Alkohol eine gewisse Umnebelung, und Klumpp verlor die bisherige Sicherheit. Er drehte sich um und verließ mit seinen Begleitern das Schloss. Draußen wurde wieder eine Salve geschossen. Die Kugeln schlugen auf die Mauer, klirrten auf den Dachkandel, drangen durch Fenster und Holzwerk in einzelne Räume und beschädigten Bilder, Vasen und Hausrat.

Das war die Revolution des Obermatrosen a.D. Heiner Klumpp in Karlsruhe. Immerhin hatte sie zur Folge, dass die großherzogliche Familie noch am Abend das Schloss verließ und sich mit Autos, die im Schlossgarten bereit standen, nach Schloss Zwingenberg am Neckar fahren ließ. Klumpp trat anschließend aus der Nationalliberalen Partei aus und in die SPD ein.

Klumpps gesellschaftlicher Aufstieg

Ab 1. Dezember 1919 wurde er Sekretär der in Gottesaue stationierten Bereitschaftspolizei, wurde aber dann wegen interner Differenzen am 21. Juni 1920 entlassen und bei der Badischen Versicherungskasse für Gemeinde- und Körperschaftsbeamte eingestellt. Dort wurde er 1925 zum Inspektor befördert, er leitete ehrenamtlich verschiedene Vereine, so auch als Vorsitzender die Ortsgruppe Daxlanden des „Reichsbundes der Kriegsbeschädigten, Kriegsteilnehmer und Kriegshinterbliebenen“. In dieser Eigenschaft hatte er sich schon 1921 an Oberbürgermeister Julius Finter mit der Bitte um finanzielle Unterstützung bei der Errichtung eines Denkmals für die im Ersten Weltkrieg Gefallenen des Vorortes Daxlanden gewandt. Sein Engagement hatte Erfolg: Das Denkmal wurde am 4. September 1932 eingeweiht.

Im Jahre 1930 konnte Klumpp eine Wohnung im Haus Stephanienstraße 17 beziehen, das er als Verwalter für die Badische Versicherungskasse schon jahrelang betreut hatte.

Verfolgung durch die Nazis und Tod

Die Karlsruher Nazis hatten ihn schon früh wegen seiner aktiven Teilnahme an der Revolution 1918 als einen der „Novemberverbrecher“ bezeichnet, auf die sich neben anderen ihr ganzer Hass richtete. Somit ist auch klar, dass sie ihn nach der Karlsruher „Machtergreifung“ gnadenlos verfolgten wie auch alle anderen, die in diese Kategorie eingeordnet wurden, unabhängig davon, ob das berechtigt war oder nicht. Die Karlsruher Strafkammer hatte ihn mit Beschluss vom 21. Dezember 1918 außer Verfolgung gesetzt und damit den Haftbefehl gegen ihn aufgehoben, da sie seine Tat als „politisch“ bewertet hatte und deswegen aufgrund des Amnestie-Erlasses des Rates der Volksbeauftragten nicht zu ahnden gewesen war.

Dieser Erlass war Anlass für die Hetze des Leiters der in Karlsruhe veranstalteten „Grenzlandmesse für Ausstellungszwecke“, die durch das Karlsruher Nazi-Innenministerium Ende 1933 durchgeführt wurde. Dort wurde der Strafregisterauszug von Heinrich Klumpp präsentiert, und zwar mit dem Zusatz: „Der ‚politische‘ Verbrecher Klumpp! So sieht die Strafliste eines politischen Verbrechers aus: Amtsunterschlagung ist ‚politisch‘; Urkundenfälschung ist ‚politisch‘; Erpressung ist ‚politisch‘.“ Klumpp sollte als gemeiner Verbrecher bloßgestellt werden, was die Kampagne auch erreichte, da sich die Diffamierungen im Gedächtnis der Bevölkerung hielt.

Den Verfolgungen der Nazi-Schergen konnte sich Klumpp entziehen. Wie von Zeitzeugen bestätigt, konnte er sich aus der Stephanienstraße 17, als die GeStaPo vor der Tür stand, durch eine „Flucht über die Dächer“ aus Karlsruhe heraus ins Elsass absetzen, wo er in Mühlhausen Arbeit fand. Er war jedoch nach dem Blitzkrieg gegen Frankreich wieder auf der Flucht vor der deutschen Wehrmacht und wurde im Jahre 1940 durch einen SS-Trupp in Bordeaux aufgespürt, wo er seinem Leben durch Selbstmord ein Ende setzte.

Literatur und Quellen

  • Oberrheinische Studien, Bd. 2, Arbeitsgemeinschaft für Geschichtliche Landeskunde am Oberrhein, Kommissionsverlag G. Braun, Karlsruhe 1973, darin: Kaller, Revolution von 1918 in Baden, S. 180 ff, sowie die in diesem Aufsatz angegebenen Faszikel im GLA
  • Günter Wimmer, Adam Remmele – Ein Leben für die soziale Demokratie, verlag regionalkultur 2009
  • W. Oeftering, Der Umsturz 1918 in Baden, Konstanz 1920
  • Ausgaben der Zeitungen „Volksfreund“ und „Der Führer“
  • Adressbücher von Karlsruhe