Handschriftensammlung

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Die Handschriftensammlung ist die Sammlung von Handschriften der ehemaligen Hofbibliothek in Karlsruhe. Sie ist ein Kulturgut, das heute in der Badischen Landesbibliothek aufbewahrt wird.

Ihre Eigentumsverhältnisse waren seit der Abdankung des Staatsoberhauptes 1918 bzw. Bildung der Republik Baden 1919 lange umstritten. Es musste gerichtlich geklärt werden, ob das Haus Baden oder der Staat - in der Nachfolge der Republik Baden seit 1952 vertreten durch das Land Baden-Württemberg - Eigentümer der Sammlung bzw. einiger ihrer Teile sei, und ob daher die Nachkommen des Hauses Baden besonders wertvolle Teile dieser Sammlung für einen geplanten Verkauf zurückfordern durften.

Inhalt der Sammlung

Die Sammlung besteht aus über 4000 mittelalterlichen Papier- und Pergamenthandschriften aus der Zeit seit vom 7. Jahrhundert sowie einigen Zehntausend handgeschriebenen Dokumenten badischer Persönlichkeiten der Neuzeit bis zum 21. Jahrhundert. Die Sammlung wird auch heute noch weiter ergänzt.

Die mittelalterlichen Handschriften sind aus verschiedenen Quellen und zu unterschiedlichen Zeiten in die Hofbibliothek gekommen. Die Stücke, die bereits am längsten zur fürstlich-badischen Sammlung gehörten, sind die Bestände aus den verschiedenen badischen Residenzen, also beispielsweise aus den fürstlichen Wohnsitzen in Durlach, Rastatt und Karlsruhe selbst. Der größere Teil der Handschriften kam zu Beginn des 19. Jahrhunderts nach Karlsruhe, als im Zuge der Mediatisierung und folgenden Säkularisation von Kirchenbesitz viele Klöster im Land aufgehoben wurden und ihre kostbaren Kunst- und Kulturschätze, darunter auch bedeutende Bibliotheken, enteignet wurden. So finden sich heute in der Badischen Landesbibliothek die Handschriften aus den ehemaligen Bibliotheken der Klöster Reichenau, Lichtenthal, St. Peter auf dem Schwarzwald, Ettenheimmünster und vielen anderen.

Unter den in dieser Handschriftensammlung enthaltenen Codices finden sich einige besonders wertvolle, zum Beispiel

  • eine von nur drei erhaltenen Abschriften des Nibelungenlieds (Cod. Don. 63), 2009 zum UNESCO-Weltdokumentenerbe erklärt
  • das Gebetbuch des Markgrafen Christoph I. von Baden (Cod. Durlach 1)
  • ein Festevangelistar um 1200 (Cod. St. Peter perg. 7, siehe Bild)
  • Konrad von Grünenberg: Beschreibung der Reise von Konstanz nach Jerusalem (Cod. St. Peter pap. 32, siehe Bild)
  • eine einzigartige Handschrift über Raimundus Lullus (Cod. St. Peter perg. 92)
  • hebräische Schriften aus der Sammlung Reuchlin, die dieser der Stadt Pforzheim vererbte.
  • zwei der vier erhaltenen Blumenbücher, die unter dem Namen Karlsruher Tulpenbuch bekannt sind (Cod. Karlsruhe 3301 und 3302)


Bilder

Festevangelistar um 1200 (Pergament)
Konrad von Grünenberg: Beschreibung der Reise von Konstanz nach Jerusalem (Bodenseegebiet 1487)

Verkauf

Aktualität gewinnt die Frage nach dem Eigentum dadurch, dass es Bestrebungen gibt, die Sammlung zu verkaufen, um die Rettung des Klosters Salem zu gewährleisten.

Am 5. Oktober 2006 zitierte der SWR FDP-Landtagsfraktionschef Ulrich Noll, dass die Handschriften nicht für die Sanierung Salems verkauft werden, sondern stattdessen andere Kunstwerke. Die Originalmeldung über das Spitzentreffen besagt, dass noch nichts entschieden ist, ein Verkauf ist also möglich. (siehe Weblinks: Meldungen vom 5. Oktober)

Standpunkt der Landesregierung

Die Landesregierung unter Ministerpräsident Oettinger steht auf dem Standpunkt, dass die Sammlung Privateigentum des Hauses Baden sei und nicht dem Land Baden zugefallen sei, infolgedesen auch jetzt das Land Baden-Württemberg keinen Anspruch darauf habe. Der Herausgabeanspruch des Hauses Baden bestehe zu Recht. Die Landesregierung beabsichtigt daher diesem nachzukommen, ohne den Rechtsweg zu bemühen.

Am 30. September 2006 hat die Landesregierung Baden-Württemberg gegenüber der FAZ eingeräumt, dass ihr Gutachten vorliegen, denen zufolge das Land im Streit mit dem Haus Baden eine entschieden stärkere Rechtsposition einnehmen könnte, als sie die Regierung bislang öffentlich vertreten hat.

Gegenstandpunkt

Dem Standpunkt des Ministerpräsidenten widersprechen andere Rechtsgutachten und Juristen wie Prof. Mußgnug und Mitglieder des Landtages. Zudem geht es um teils einmalige Kulturgüter nationaler Bedeutung, die mit einem Verkaufsverbot ins Ausland belegt werden können.

Der Bundestags-Kulturausschuss unter Vorsitz von Hans-Joachim Otto beschäftigt sich mit dem möglichen Verkauf, das Kanzleramt lässt nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins «Der Spiegel» prüfen, ob die Bundesregierung ein Exportverbot beantragen soll.

Veranstaltungen

Radiosendung

Handschrift von Lullus
SWR2 Forum
Donnerstag, 28. September 2006, 17:05 Uhr
Mein Erbe, mein Schloss, meine Verantwortung – Der Handschriftendeal zwischen dem Haus Baden und dem Land Baden-Württemberg
Gesprächsleitung: Eggert Blum
es diskutierten:
Dr. Klaus Graf, Historiker und Archivar, Universität Freiburg;
Prof. Reinhard Mußgnug, ehem. Ordinarius für Öffentliches Recht, Universität Heidelberg;
Dr. Hans-Jürgen Vogt, Mitglied im Vorstand der Badischen Bibliotheksgesellschaft, kulturpolitischer Sprecher der CDU im Gemeinderat von Karlsruhe

Der SWR hatte versucht, für dieses Forum Bernhard Prinz von Baden und Vertreter der beteiligten Landesministerien zu bekommen; diese hatten allerdings abgesagt.

Vortrag

Vom markgräflichen Sammeleifer zur staatlichen Erwerbungspolitik
Zur Geschichte der Badischen Landesbibliothek (BLB)
Redner: Dr. Peter Michael Ehrle, Direktor der BLB
Ort: Stephanssaal, Ständehausstraße, Karlsruhe
Donnerstag, 28. September 2006 ab 19:30 Uhr, Eintritt frei
Ein Vortrag im Rahmen 200 Jahre Baden – Freiheit Verbindet der Landesvereinigung Baden in Europa
Im Rahmenprogramm wurden zwei Exponate der Sammlung gezeigt (siehe Bilder).

Unterschriftensammlung

Die Landesvereinigung Baden in Europa sammelte Unterschriften gegen den Versuch, die wertvollen Handschriften aus dem Bestand der Badischen Landesbibliothek zu verkaufen. Der Verkauf soll die Rettung des Klosters Salem gewährleisten. Die Landesvereinigung Baden forderte, dass dafür Mittel aus den Erträgen der damaligen Landesstiftung (inzwischen Baden-Württemberg Stiftung), die nach ihren Angaben zu einem wesentlichen Teil aus dem Verkauf der badischen Gebäudeversicherung mit 900 Millionen DM und den Aktien des Badenwerkes mit 3,5 Milliarden DM (zusammen rund 2.250 TEUR) bestehen sollen, aufgebracht werden.

Die Landesvereinigung hat hierzu über 20.210 Unterschriften gesammelt und in Stuttgart übergeben.

Literatur

Weblinks

Allgemein

Meldung vom 5. Oktober

Meldung vom 13. Oktober

Meldung vom 11. November

Für einen Verkauf

Gegen einen Verkauf