Leon Gruenbaum
Leon Gruenbaum (geboren 30. März 1934 in Forbach/Lothringen[1]; gestorben 22. Juli 2004 in Bad Mingolsheim)[2] war ein französischer Wissenschaftler und Wissenschaftshistoriker.
Leben und Wirken
Leon Gruenbaums jüdische Familie floh vor den Nazis nach Frankreich.
Von 1954 bis 1958 studierte er Physik, Mathematik und Chemie an der Universität von Paris. Danach spezialisierte er sich auf die Nuklearphysik und arbeitete von 1961 bis 1965 am Max-Planck-Institut für Physik und Astrophysik in München. Im Februar 1964 erhielt er an der TH München seine Doktorwürde für seine Arbeit Inelastic Scattering of Electrons on O16. Am Weizmann Institute of Science, Rehovoth (Israel)[3], forschte er zum Thema Elektromagnetische Eigenschaften an deformierten Nukleonen unter Mitwirkung von Prof. Dr. I. Talmi[4]. Ab November 1968 wurde er in Darmstadt an der Technischen Hochschule am Institut für Theoretische Physik beschäftigt. Aufgrund eines schweren Verkehrsunfalls befand er sich in der Zeit zwischen 1. Juli 1969 und 5. Mai 1971 immer wieder in stationärer Behandlung im Krankenhaus.
Ab August 1970 war er in der Abteilung Reaktor-Physik am Kernforschungszentrum Karlsruhe angestellt. Dort hatte er erst einen befristeten Drei-Jahres-Vertrag, der aber nach Ablauf trotz großer Fähigkeiten entgegen der damals üblichen Praxis nicht in eine dauerhafte Anstellung umgewandelt wurde. Ursache dafür war der damalige Geschäftsführer Rudolf Greifeld († 1984), der ihn diskriminierte. Dessen Vergangenheit zur Zeit des Nationalsozialismus war bislang nicht in der Öffentlichkeit bekannt. Greifeld war Oberkriegsverwaltungsrat in der deutschen Militärregierung im besetzten Paris und auch für die rund 20 km nordöstlich davon liegende Stadt Drancy zuständig, welche eine Sammelstelle und Durchgangsstation[5] für Juden besaß, die per Zugtransporte in Vernichtungslager gebracht wurden, darunter auch nach Auschwitz. Etwa 65.000 Juden mussten jenes Zwischenlager passieren.
Zusammen mit Beate[6] und Serge Klarsfeld[7] forschte Gruenbaum nach Belegen für Greifelds Antisemitismus. Zusammen mit den Klarsfelds präsentierte Gruenbaum im Rahmen einer Pressekonferenz Ende 1975 in Straßburg die Nazi-Vergangenheit von Greifeld. Darin wurde auch dessen Rolle als Organisator von Hitlers Paris-Besuch bekannt gemacht.
Da Gruenbaum aufgrund seiner Recherchen und den Veröffentlichungen als Physiker keinen Fuß fassen konnte, ging er zurück nach Paris und beschäftigte sich dort mit den historischen Grundlagen der militärischen und zivilen Nutzung der Atomenergie. Im Jahr 1982 legte er an der Sorbonne seine zweite Dissertation als Wissenschaftshistoriker vor. Sie behandelte das Thema „Herausbildung der Plutoniumsgesellschaft – politische Konspirationen und Geschäfte”. Darin arbeitete er auch die Affäre Greifeld auf.[8]
Er war mit Rolande Gruenbaum verheiratet, mit der er zwischen 1970 und 1973 in Karlsruhe-Durlach und danach in Paris lebte. Seine Ehe scheiterte aber im Jahr 1977. Ursache war ein Nervenleiden Gruenbaums, das wohl die Spätfolgen einer vorausgegangenen Hirnhautenzündung waren.
Seine letzten Lebensjahre verbrachte er wieder in Karlsruhe, wo noch Freunde von ihm lebten. 2004 starb er im Alter von 70 Jahren und wurde auf dem Friedhof Bad Mingolsheim bestattet.
Erst im Jahr 2011 erfuhr Rolande Tordjman‐Gruenbaum vom Tod ihres Ex-Mannes, indem ihr Wissenschaftler aus dem Forschungszentrum die Todesanzeige aus den BNN zukommen ließen. Sie hatte den Wunsch, Leons Grab zu besuchen, der sich am 15. April 2011 erfüllte. Verstärkt wurde ihr Wunsch dadurch, dass sie erst dann Kenntnis über die fortdauernde langjährige Diskriminierung erhalten hatte. Nun konnte sie Leons geleistete Arbeit zur Ermittlung von Greifelds Vergangenheit richtig einordnen und ihm die Trennung verzeihen.
Ehrungen
Preise
- Whistleblower-Preis der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler e.V. (2015, posthum)
- Gedenktafel an seinem Grab, eingeweiht im März 2016
Symposium 2013
Am 19. Oktober 2013 veranstaltete das Forum Ludwig Marum ein Symposium über ihn mit dem Titel Der vergessene Whistleblower Leon Gruenbaum (1934–2004) im ver.di-Haus in Anwesenheit seiner Witwe.
Fußnoten
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Forbach (Moselle)“
- ↑ [1] Einweihung der Gedenktafel am 30. März 2016 auf dem Friedhof Mingolsheim PDF, Bad Schönborner Woche·Nr. 14 vom 7. April 2016
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Weizmann-Institut für Wissenschaften“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Igal Talmi“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Sammellager Drancy“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Beate Klarsfeld“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Serge Klarsfeld“
- ↑ Die Doktorarbeit ist in Französisch verfasst, das Kapitel über Greifeld wurde vom Forum Ludwig Marum e.V. ins Deutsche übersetzt und kann dort auch bezogen werden.