Dietrich Schulze

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Dietrich Schulze, 2013

Dietrich Schulze (* 27. Juni 1940 in Borkum; † 19. Dezember 2019) war ein Naturwissenschaftler, Friedensaktivist und Publizist, der in Karlsruhe lebte.

Leben und Wirken

Dietrich Schulze wuchs in Wilthen (Sachsen) im Wohnort der Familie seiner Mutter Lucie, geborene Steck, auf. In Bautzen legte er 1958 das Abitur an der Friedrich-Schiller-Oberschule ab. In Essen-Werden legte er 1959 am Neusprachlichen Gymnasium das zweite Abitur ab. Anschließend studierte er in Hannover und Karlsruhe Elektrotechnik. 1971 promovierte er an der Universität Karlsruhe (TH) zum Dr.-Ing. auf dem Gebiet der Regelungstechnik für die angewandte Hochenergie-Physik bei dem Mathematiker Otto Föllinger (1924–1999)[1] und dem Physiker Anselm Citron (1923–2014). Seit 1966 war er am Kernforschungszentrum (heute Karlsruher Institut für Technologie KIT Campus Nord) wissenschaftlich tätig. Von 1984 bis 2005 war er dort Betriebsratsvorsitzender und kämpfte mit Beharrlichkeit und Geschick für die sozialen Rechte der Beschäftigten. Er gestaltete die Betriebsversammlungen zu einem Ort der freien Aussprache und der lebendigen ergebnisoffenen Willensbildung.

Sein Leben als Gewerkschafter, Antifaschist und Friedens­aktivist wurde entscheidend geprägt durch das Zusammenleben mit dem Kommunisten Karl Wagner (1909–1983), den er 1971 kennen lernte.

Seit Beginn der 1970er Jahre ist Schulze aktiv in der Friedensbewegung und versuchte, das auch in der betrieblichen Praxis umsetzen. Ein Beispiel: 1988 widerstand er der Rücktrittskampagne der Kernenergiefreunde, die die Zurückweisung eines möglichen militärischen Missbrauchs der Kern­energie in einer Betriebsrats-Mitteilung als unerträglich anprangerten. Die Folgen des inneren Atom-Desasters: Der Götze Kernenergie war im Betrieb vom Sockel gestoßen worden. In der Evangelischen Akademie Bad Herrenalb fand Anfang 1989 eine vorher als unmöglich angesehene kontroverse Diskussionsveranstaltung mit Klaus Traube und den Karlsruher Schnellbrüter-Experten statt.

Die gesetzliche Zivilklausel seit Gründung des Zentrums 1956 „Forschung nur für friedliche Zwecke.“ ist von Schulze zusammen mit allen Beschäftigten konsequent gegen Aushöhlungs- ­und Umgehungsversuche verteidigt worden. Dafür war die Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemein­schaft der Betriebs- und Personalräte der außeruniversitären Forschungseinrichtungen (AGBR) von Bedeutung.

Nichts lag nach dem altersbedingten Ausscheiden 2005 aus dem Betrieb näher als an die Zivilklausel-Erfahrungen anzuknüpfen. Schulze gründete 2008 mit anderen die Initiative gegen Militärforschung an Universitäten. Der Gewerkschaftlichen Studierendengruppe Karlsruhe gelang mit vielfältiger Unterstützung Anfang 2009 ein strategisch bedeutsamer Urabstimmungserfolg. Über 60% der Studierenden votierten in einer erstmaligen Urabstimmung dieser Art für die KIT-Zivilklausel. Aufgrund dieses Karlsruher Impulses hat sich eine beachtliche bundesweite Zivilklausel-Bewegung entwickelt. Selbst im Ausland wird die Zivilklausel als Mittel gegen die fortschreitende Militarisierung der Bildung diskutiert. Dazu hat sicherlich der bewegende Auftritt des US-amerikanischen Friedenswissenschaftlers Subrata Ghoshroy im vollbesetzten Uni-Streikhörsaal „Redtenbacher“ am 1. Dezember 2009 unter dem Titel „KIT meets MIT“ beigetragen.

Schulzes spektakulärster Auftritt als Gewerkschaftler: Bei der Rede von Bundeskanzler Schröder auf dem ÖTV-Gewerkschaftstag am 6. November 2000 nahm er an der Protestaktion gegen den Riester-Rentenplan auf der Rednerbühne neben dem Kanzler teil und rief ihm zu dessen Aussage, dass dieser Plan notwendig sei, lautstark von der Seite zu: „Das ist nicht notwendig!“. Dieser „unbotmäßige“ Zwischenruf provozierte den Kanzler derart, dass er darauf spontan antwortete: „Es ist notwendig und wir werden es machen. BASTA!“. Der Gewerkschaftstag beschloss daraufhin: „Diesem BASTA setzen wir ein AVANTI entgegen und gehen auf die Straße.“

Schulze hatte das Symposium für den französischen Wissenschaftler Dr. Leon Gruenbaum (1934–2004) im Oktober 2013 mitgestaltet, der als Physiker von einem Karlsruher Atommanager diskriminiert wurde und die Größe hatte, dieses Unrecht zu verarbeiten und eine bedeutende geschichtswissenschaftliche Monographie über „Die Genese der Plutonium-Gesellschaft“ zu schaffen. Diese wurde im November 2018 veröffentlicht[2].

Dr. Dietrich Schulze war seit 1985 mit Silvia Schulze (1953–2018), geborene Kraut, verheiratet, die die Tochter Genia (* 1972) mit in die Ehe brachte.

Publikationen

als Herausgeber:

Weblinks

Fußnoten