Joseph Victor von Scheffel/Bruchsal
„Bruchsal“ ist ein Gedicht von Joseph Victor von Scheffel über die gleichnamige Stadt aus dem Jahre 1852.
Gedichttext
Nicht im Süd, im schönen Spanien,
Sondern in dem deutschen Bruhrain,
Zwischen Heidelberg und Upstadt
Liegt die schöne Seestadt Bruchsal.
Bruchsal, Bruchsal, hätt' ich niemals
Doch dein Weichbild überschritten,
Dort sitzt im modernen Zuchthaus
Still der pennsylvan’sche Sträfling.
Auch die Frauenzimmersünde
Büßt sich dort im Weiberzuchthaus,
Während minder schwer gravierte
In dem Arbeitshause brummen.
Wen der Zufall in der Wiege
Für die Freiheit auserkoren,
Existiert als Hofgerichtsrat
Oder als Dragonerleutnant.
Dort im Raum des alten Schlosses
In grotesken Zopfstilformen,
der Fürstbischof von Styrum
Einst die Gäste schöd’ empfangen,
Sind in hoher Dachmansarde
Klassisch stille Dienstlokale
Für die Schreiber des Gerichtshofs,
Der im untern Stockwert taget.
Schreiber — doch im Kurialstil
Heißt man minder despektierlich
Diese würdigen Individuen
Hofgerichtessekretari.
Und der trefflichste von allen
Heißt dort oben Schachtelhuber,
Der als Frachtstück mit den Akten
Schon von Rastatt einst hierherkam.
Schachtelhuber, Schachtelhuber,
Paladin der Sekretäre,
Dich zu preisen, reichen tausend
Tintenfässer, tausend Federn
Nimmer bin, und wenn statt Stegen
Streusand von den Himmel träufte
Sieben Jahr und sieben Monde,
Nimmer könnt’ er Deines Ruhmes
Dokumente alle sandeln.
Quelle
Joseph Victor von Scheffels sämtliche Werke, herausgegeben von Johannes Franke, Leipzig 1916. 9. Band: Gesammelte Gedichte, Digitalisat der UB Freiburg, Seite 80