Vogel und Schnurmann

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Eckgebäude 2006

Die Firma Vogel & Schnurmann war zeitweise das bedeutendste Unternehmen auf dem Gebiet der Alttextilverwertung in Deutschland und einer der größten Arbeitgeber in Karlsruhe.

Geschichte

Die Firma ging auf einen 1833 von Juda Levy Vogel in Muggensturm gegründeten Lumpenhandel zurück. Eine erste Vergrößerung erfuhr das Geschäft beim Eintritt des Schwiegersohns Samuel Schnurmann. Die von Lumpensammlern gesammelten Textilien wurden sortiert, zerkleinert und zu Reißwolle verarbeitet, die hauptsächlich nach England exportiert wurde. Alte Leinengewebe dienten als Rohstoff für die Papierherstellung. 1866 wurden hier etwa 30 Mitarbeiter beschäftigt.

Die entscheidende Expansion des Betriebes erfolgte unter dem Sohn des Gründers Samuel Vogel (1845–1910). Das Bestreben ging dahin, die Rohstoffe selbst zu Fertigprodukten zu verarbeiten. Dazu wurde 1878 zusammen mit einem weiteren Teilhaber Simon Bernheimer eine Papierfarik in Ettlingen erworben. 1884 gründeten Vogel und Bernheimer zusätzlich die Zellstoffabrik in Maxau (heute Stora Enso).

Die Lumpensortieranstalt wurde 1879[1] unter Beibehaltung des Betriebes in Muggensturm nach Karlsruhe verlegt. Der erste Standort war beim Mühlburger Tor, wo damals die Möglichkeit eines Bahnanschlusses gegeben war. Ab 1899 entstand eine komplett neue Fabrikanlage beim Westbahnhof auf dem Gelände zwischen Bannwaldallee, Zeppelinstraße, Griesbachstraße und Benzstraße. Hier wurden zunächst ein großes Produktionsgebäude in romanischem Stil errichtet, ein Bürogebäude, ein Kesselhaus, Wäscherei und Färberei sowie ein Lagerschuppen. 1907 kam auf der Ecke der Bannwaldallee zur Zeppelinstraße ein kombiniertes Wohn- und Wasserturmgebäude hinzu. Der insgesamt 32 m hohe Turm enthielt einen 70 m³ fassenden Wasserbehälter für den Bedarf der Wäscherei und Färberei. Um den Turm herum waren über vier Geschosse acht Dreizimmerwohnungen für Werksangestellte angeordnet. Architekt dieser Bauten war Adolf Singrün.

Ab 1908 wurden hier die gesammelten Lumpen in eigener Fabrikation zu Kunstwolle und Kunstbaumwolle verarbeitet, was sich als sehr erfolgreich erwies. Bereits 1911 beschäftigte das Werk rund 500 Arbeiter.

Nach schweren Rückschlägen durch den Ersten Weltkrieg und die Inflation war Vogel & Schnurmann 1926 die größte Hadernsortieranstalt[2] in Deutschland und beschäftigte einschließlich des weiterhin existierenden Zweigbetriebes in Muggensturm ungefähr 700 Mitarbeiter.

Firmenschild Heim, Huber & Co KG

Im Verlauf der „Arisierung“ mussten 1938 die damaligen Eigentümer Leo und Sally Vogel (männliche Person) den Betrieb zwangsweise weit unter Wert verkaufen und emigrierten daraufhin mit ihren Familien nach England. Die Firma hieß seither „Oberrheinisches Textilrohstoffwerk Heim, Huber & Co KG“.

Während des Zweiten Weltkrieges wurden bei Bombenangriffen auf die Umgebung des Westbahnhofes die Produktionsgebäude, das Bürogebäude und das Lager völlig zerstört. Die Produktion wurde nach dem Krieg trotzdem noch einmal aufgenommen, die rechtmäßigen Eigentümer erhielten nach Vergleichsverfahren Teile ihres Besitzes zurück. Im Gegensatz zur Zellstoffabrik Maxau erreichte die Kunstwollfabrik nicht mehr ihre frühere Bedeutung. Wann genau der Betrieb eingestellt wurde, war bisher nicht festzustellen.

Erhalten sind von der Fabrikanlage heute noch das charakteristische Wasserturmgebäude, Teile der Färberei und das Kesselhaus, in dem sich jetzt das Restaurant Kesselhaus befindet. Auch ein „romanisches“ Portal ist auf dem Gelände noch zu sehen.

Literatur

  • R. Beck u. a.: Industrie-Architektur in Karlsruhe. Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs Bd. 6 (Karlsruhe 1987) S. 158.
  • J. u. P. Brunner: Baudenkmale im Kaiserreich. In: Spuren in der Stadt. Beiträge der Fachhochschule Karlsruhe - Hochschule für Technik zur Karlsruher Stadtentwicklung 1878 - 2003 (Karlsruhe 2003) S. 56-58.
  • O. Berendt: Karlsruhe - Das Buch der Stadt (Stuttgart 1926) S. 241.
  • J. Toury: Jüdische Textilunternehmer in Baden-Württemberg 1683-1938. Schriftenreihe wissenschaftlicher Abhandlungen des Leo Baeck Instituts 42 (Tübingen 1984) S. 130 f.
  • Manfred Fellhauer: Mittel­al­ter­­li­che Burg beim Kühlen Krug in: Blick in die Geschichte Nr. 103 vom 27. Juni 2014

Archivalien

Im Bestand: 8/Plan- und Bildersammlung des Karlsruher Stadtarchivs befindet sich in der Rubrik XIVf Firmen auch die Firma Vogel & Schnurmann.[3]

Weblinks

Fußnoten