Der Mörder von Durlach
„Der Mörder von Durlach“ ist eine Moritat[1] von Carl Herloßsohn (1804–1849)[2].
Gedichttext
Der Mörder von Durlach.
Hieraus wirst Du ersehen,
O wohlgebor’ner Christ,
Wie unter jedem Umstand
Die Habsucht schrecklich ist.
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In Durlach jung geboren,
Im schönen Badenland,
Die Fleischerzunft erkoren
Als künft’ges Werk der Hand;
Doch war er heimathmüde,
Strebt nach Amerika.
Ein Sturmwind aber treibt ihn
In’s heiße Afrika.
Das Schiff wird schnell geentert,
Er hält sich zwar recht brav,
Doch die Piratenhunde
Verkaufen ihn als Sclav. —
So kam er nach Marocco,
Und schöpfte neuen Muth,
Heiß weht dort der Sirocco[3],
Doch er befand sich gut.
Sein Herr ward ihm gewogen,
Ein Fleischer jener Zeit,
Der eine Tochter hatte
Schön und voll Lieblichkeit.
Ward ihr zu Lieb’ ein Türke,
Hielt ihn wie seinen Sohn,
Als Fleischer, daß er wirke,
Bei ihm in Condition.
Als der Alte war gestorben,
Setzt’ er ihn zum Erben ein:
„Gelobt sei Jesus Christus,
Hier hast mein Töchterlein;
Hier hast Du meine Schätze,
Mehr als eine Million,
Heirath’ die Tochter Zara,
Das sei Dir Gottes Lohn!" —
Der Türke hatte aber
Sein Geld erworben flott,
Das Schöpsenfleisch[4] er köstlich
In frischem Oele sott.
Das aßen nun die Kunden
Und wurden gar nicht satt,
Was auch das groß Vermögen
Ihm eingebringen hatt’. —
Der deutsche Mann aus Durlach,
Der aber dachte fein,
Um solches Fleisch zu sieden,
Muß nicht von Schöpsen sein.
Unmoralische Frauenzimmer
Lockt er Abends zu sich her,
Tödtet sie in seinem Zimmer
Und dann lebten sie nicht mehr.
Er schnitt ihr Fleisch in Stücke
Und kocht’s in Baumöls Glut,
Die Maroccaner sagten:
„Masch Allah, das ist gut!“ —
Sie aßen’s appetitlich,
Der Mann, der wurde reich;
Nur Zara, seiner Frauen,
Fiel es doch auf sogleich.
Sie legte sich auf’s Lauschen,
Und einmal in der Nacht,
Sah sie, wie er schon wieder
Ein Weibsbild umgebracht.
Sie lief sogleich zum Pascha,
Nennt ihm die Gräuelthat;
Der Pascha war erschrocken
Ueber solch ein Attentat.
„Das ist ja niederträchtig!“
Entsetzt der Herrscher schreit,
„Auf diese Art tractirt uns
Die löbliche Christenheit!“
Er sprach sogleich sein Urtheil,
Und Neger kamen heran —
„Zerschneidet mir in Stücke
Hier diesen falschen Mann!" —
Sie schneiden ihm vom Leibe
So Stück vor Stück das Fleisch,
Der arme Sünder erhebet
Ein schreckliches Gekreisch.
Umsonst! — ’s wird fortgefahren,
Gesotten in heißem Oel
Das Fleisch von seinem Leibe, —
Gott erbarm’ sich seiner Seel’.
So hat er müssen sehen,
Wie man ihn behandelt hat,
Die Hunde damit gefüttert,
Die wurden davon satt.
Die Frau hüllt sich in Trauer,
Obgleich sie ihn geliebt,
In einer Klostermauer
Starb sie vor Gram betrübt.
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Hieraus kannst Du ersehen,
O wohlgeborner Christ,
Wie unter jedem Umstand
Die Habsucht schrecklich ist!
Quelle
„Fliegende Blätter“, Band X, 1849, Digitalisat der Uni Heidelberg
Fußnoten
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Moritat“
- ↑ Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Carl Herloßsohn“
- ↑ Wahrscheinlich Scirocco, ein heißer Wind aus südlichen bis südöstlichen Richtungen. Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Scirocco“
- ↑ Fleisch von Schafen. Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Lammfleisch“