Stadtgründung Karlsruhe

Aus dem Stadtwiki Karlsruhe:
Der obere Teil des Karlsruher Schlossturms; er war das erste Bauwerk des Schlosses und der Stadt

Die offizielle Stadtgründung Karlsruhes fand am 17. Juni 1715 statt. In jener Zeit wurde die neue Stadt in Dokumenten als „Carolsruhe“ bezeichnet. Ausgangs- und Mittelpunkt bildete die Errichtung eines neuen dreiflügeligen Schlosses. Dieses besaß einen hohen achteckigen Schlossturm, was ein Novum in der damaligen Zeit darstellte. Um dem Turm ein stabiles Fundament zu bieten, wurden 400 Eichenstämme in den Boden gerammt und der Turm mit einer dicken Außenmauer errichtet. Von dem Turm ausgehend laufen 32 gerade Schneisen wie Sonnenstrahlen in alle Himmelsrichtungen. Die Stadt sollte sich südlich fächerförmig anschließen.

Die Anfangsjahre

Grundsteinlegung

Die Vorbereitungen begannen bereits am 28. Januar, dem Geburts- und Namenstag des Gründers, Markgraf Karl Wilhelm von Baden-Durlach. Um das zukünftige Schloss rodeten Forstarbeiter einen kreisrunden Bereich im Hardtwald, wenige hundert Meter nördlich der schon lange bestehenden Landstraße zwischen Durlach und Mühlburg im Hardtwald. Diese Straße bildete die Basis für die Rodungsarbeiten. Wie auf modernen Stadtplänen und Karten erkannt werden kann, war die ursprüngliche Landstraße nicht exakt in West-Ost Richtung angelegt worden, sondern einige Grad im Uhrzeigersinn „verdreht“. Deshalb ist das Schloss und der Fächer bis in die Gegenwart auch nicht exakt in eine Nord-Süd-Richtung ausgerichtet.

Am 17. Juni erfolgte die Grundsteinlegung am Schlossturm durch den Markgrafen. Hinterlegt wurde eine Silberplatte, die sein Bildnis enthielt, eine Flasche Wein aus dem Oberland, Medaillen und Münzen sowie ein lateinisches Lobgedicht, welches vom Prorektor des Durlacher Gymnasiums verfasst worden war. Der Wortlaut des Gedichts im Versmaß des Hexameters:

Jetzt wird gesetzt, juchee!, vom Fürsten Carl der (Grund)stein,
Auf das er zuerst dann in die aufgegrabene Erde gelange
Und trage sogleich den zu den Sternen aufragenden Turm,
Er daure, heissa, und habe Bestand in späteren Zeiten,
Und je weiter er dauert, soll auch jener (der Fürst) erstarken
Und weiter wachsen an Größe aus eigener Kraft!

Nach Berichten soll Karl Wilhelm den Grundriss für Schloss und Stadt selbst angefertigt haben. Einer beliebten Legende zufolge soll er zuvor im Hardtwald an einem Baum eingeschlafen sein. Im Traum sei ihm die Idee von der Stadtgründung gekommen, weshalb die neue Stadt den Namen Karlsruhe erhalten habe. Es existieren allerdings keine Aufzeichnungen, welche diese Legende stützen würden.

Karl Wilhelm wollte die Wirtschaft seines kleinen Landes wieder ankurbeln und den Wiederaufbau fördern. Im Sinne des Merkantilismus[1] sollten die Investitionen im Land verbleiben. Im Stil der Fürsten seiner Zeit wollte auch er sich eine neue repräsentative Residenz schaffen. Das Verhältnis zwischen Karl Wilhelm und der Durlacher Bevölkerung war zudem angespannt, weil letztere von Einquartierungen, Abgaben und Frondiensten betroffen waren. Auch die hohen Ausgaben für die Hofhaltung und seinen Vergnügungen sorgten für eine schlechte Stimmung bei den Untertanen. Da die Karlsburg immer noch halb zerstört war und die Durlacher nicht bereit waren, Grundstücke für eine Vergrößerung der Karlsburg zur Verfügung zu stellen, kam bei ihm der Wunsch auf, außerhalb der bestehenden Siedlungen etwas völlig neues zu schaffen. Die Voraussetzungen dafür waren im Hardtwald gegeben.

Die Errichtung des Schlosses

Das Schloss und die junge Stadt im Jahr 1721 aus südlicher Blickrichtung gesehen
Die Stadt Karlsruhe im Jahr 1739 aus nördlicher Blickrichtung gesehen
Schloss-Panorama aus dem Jahr 2009
Klein-Karlsruhe um das Jahr 1790

Durch die Baumaßnahmen wurde Arbeit für Handwerker und Kaufleute geschaffen. Allerdings musste die Bevölkerung in dem durch die vorausgegangenen Kriegswirren gebeutelten Land neue Frondienste leisten. So musste das Amt Durlach zwischen März und Juli 1715 über 3.000 Fronfuhren stellen. Da es dort nur 280 vierspännige Fuhrwerke gab, musste jedes Fuhrwerk einmal pro Woche zur Rodung und zur Lieferung von Baumaterial eingesetzt werden.

Bei der Grundsteinlegung war der Gesamtbau keineswegs finanziert. Der Markgraf rief seine Untertanen auf, sich mit Anleihen am Schlossbau zu beteiligen. Im Badischen Unterland führte der Aufruf zu einem gewissen Erfolg, während sich die Bewohner im Badischen Oberland zunächst zurückhielten. Erst im darauf folgenden Jahr wurden vom Oberamt Hochberg 3.000 Gulden, von Badenweiler 750 Gulden und von Lahr 500 Gulden bereitgestellt, um „ihre schuldigste unterthänigste Treue zu bezeugen“.

Gleichwohl stellte die Rentkammer am 19. Oktober 1715 fest, dass für den Staat eine Einnahmelücke von 70.000 Gulden bestand. Eine Erhöhung der Schatzung für das Oberland um 50 % war bei der Ermittlung bereits berücksichtigt worden. Für den Bau von „Carolsruhe“ waren 12.000 Gulden angesetzt worden. Da die Einnahmensituation nicht schnell verbessert werden konnte, musste sich der Staat bei Geldgebern in Straßburg, Basel und Frankfurt am Main immer wieder Geld leihen. Weil sich der Markgraf unter diesen Umständen den Bau des Schlosses nicht leisten konnte, kann auch angenommen werden, dass die Stadtgründung zur Rechtfertigung der hohen Kosten diente.

Am 24. September 1715 erließ Karl Wilhelm einen neuen Freiheitsbrief, der, im Gegensatz zu dem Durlacher Freiheitsbrief vom 3. April 1699, den sein Vater Friedrich Magnus erlassen hatte, auch in benachbarten Ländern veröffentlicht wurde. Damit wollte er vermögende Bürger zur Ansiedlung in der neuen Stadt ermuntern, die mit Geld und Investitionen den Aufbau der Stadt unterstützten. Als Anreiz gewährte er zahlreiche Unterstützungen: Der Bauplatz war umsonst wie auch das reichlich vorhandene Bauholz und Bausand. Die Neubürger mussten aber vermögend genug sein, um Handwerker und Bausteine sowie deren Anlieferungen bezahlen zu können. Ferner erhielten die Bürger Handelsfreiheit im Land, eine 20-jährige Befreiung von Einquartierungen, Steuern und Abgaben. Neubürger anderen Glaubens sollten nicht benachteiligt werden. Hier zeigte sich die religiöse Toleranz des Markgrafen, die er in seiner Jugendzeit während seines Aufenthalts im liberalen Utrecht in den Niederlanden aus eigener Anschauung erfahren hatte. Der Bau der Wohn- und Geschäftshäuser musste einem vorgegebenen Muster folgen, den sogenannten Modellhäusern. Für die Interessenten ergab sich dadurch der Vorteil, Betriebe und Geschäfte eröffnen zu können, was durch die Aufhebung von Zöllen und der Umsatzsteuer besonders lukrativ war.

Dem Ruf folgten besonders Handwerker und Kaufleute, die sich etwas außerhalb von Karlsruhe im südöstlichen Bereich dort ansiedelten, wo auch die Bauhütten der Zimmerleute und Tagelöhner standen. So entwickelte sich das Gebiet, welches ursprünglich als „Klein-Karlsruhe“, später als „Dörfle“ bezeichnet wurde.

Der Bau des Schlosses wurde möglichst kostengünstig vorangetrieben. Dennoch stand schon im Sommer 1716 der Rohbau des Mittelbaus. Der Turm war zwar massiv aus Stein errichtet worden, jedoch bestand nur die Außenfassade des Schlosses aus Stein, während das Innere vollständig aus Holz errichtet wurde. Holz war aufgrund der Waldlage günstig zu gewinnen, während die Steine von außerhalb herangeschafft werden mussten. Im Erdgeschoss befand sich die Eingangshalle zum Audienzzimmer und zu den Privaträumen. Das Dach wurde mit Schiefer gedeckt.

Im Juli 1717 wurde die Verlegung der Hofhaltung und der Kanzlei für das folgende Jahr 1718 angekündigt. Die Beamten forderte er auf, sich um Bauplätze im neuen Karlsruhe zu kümmern. Seine erste Audienz hielt Karl Wilhelm am 5. Juli 1717 im noch nicht fertigen Schloss ab. Der Schlossturm wurde im gleichen Jahr fertiggestellt. Ebenso erfolgte der Einbau einer Orgel in der Kapelle und der Rohbau des Ostflügels wurde errichtet. Er beherbergte ein zweistöckiges Theater und einen kleinen Ballsaal. Anlässlich des 200-jährigen Jahrestags der Reformation wurde die Schlosskapelle am 31. Oktober des gleichen Jahres eingeweiht. Es wurde eine fünftägige Jubelfeier veranstaltet, für die Karl Wilhelm bis ins Detail Anweisungen erteilte. Weil es in Karlsruhe noch keine Kirche gab, stand die Schlosskapelle auch den Untertanen zur Benutzung offen. Ab April 1718 begannen die Bauarbeiten für den Westflügel. Er wurde während der Lebenszeit von Karl Wilhelm nur zu einem Drittel fertig gestellt.

Die Gartenanlage, im französischen Stil angelegt, zwischen Schloss und Zirkel gelegen, stellte Karl Wilhelms Prunkstück dar. Die Beete waren streng geometrisch entlang der Mittelachse angelegt worden. Es führte keine Straße hindurch. Die Zufahrt zum Schloss erfolgte über den Ostflügel. Die Bepflanzung wurde erst nach Abschluss der Bauarbeiten am Schloss in Angriff genommen.

Das Schloss hatte zu Anfang auch ein Nebengebäude hinter dem Ostflügel, welches ein Wasch- und Badehaus für „sämtl. Dames und Fräulein“ war. Hinter dem noch kurzen Westflügel befand sich ein einstöckiger Küchenbau, der einen Fleischkeller, eine Konfektkammer, Hofapotheke, ein Marschallamt und die Hauskämmerei beinhaltete. Später wurde zwischen dem Ostflügel und dem Zirkel ein Marstall[2] erbaut mit Stallungen, Reithaus und Heuschober. Im Westen wurden später die Orangerien erstellt.

Hinter dem Schloss wurden in einem Dreiviertel großen Kreis 24 Häuschen errichtet, die auf einem Plan von 1737 als „Cabinetter“ bezeichnet wurden. In einem davon war das fürstliche Bad untergebracht. Zwei andere enthielten Pumpwerke für die vorhanden Wasserspiele. Die verbleibenden dienten den Hofdienern und Schlosswachen als Aufenthaltsräume, als Tierställe, Lagerräume und als Laboratorien für chemische Experimente.

Ende Juli 1735 kam der kaiserliche Feldmarschall Prinz Ferdinand Maria Innozenz von Bayern[3] zu Besuch nach Karlsruhe in das Schloss. Er sagte zu Bürcklin, weil sich Karl Wilhelm zu jener Zeit im Basler Exil befand, dass er „über die angenehme Situation, den wohlangelegten Garten und schöne Orangerie“ angetan sei. Auch weitere Offiziere bestätigten diesen Eindruck.

Die Errichtung der Stadt

Die Konkordienkirche zwischen 1728 und 1806 in südliche Blickrichtung vom Schloss aus gesehen
Die Umgebung von Karlsruhe in westnordwestliche Blickrichtung im Jahr 1735 während des Polnischen Erbfolgekriegs, in der die Flüsse Alb, Pfinz und Saalbach umgeleitet und aufgestaut wurden, um künstliche Überschwemmungen (dunkelgrün markiert) zu erzeugen

Karl Wilhelm hatte angeordnet, dass der Adel und die Beamten in den Gebäuden wohnen sollten, die sich direkt am Zirkel befanden. Diese Gebäude mussten eine Höhe von zwei Stockwerken haben. Die dahinter liegenden Modellhäuser durften lediglich über ein Erdgeschoss mit einem Mansarddach[4] verfügen. Die Maße, die Anzahl der Fenster und Türen und das Baumaterial waren festgelegt worden, um ein einheitliches Erscheinungsbild sicherstellen zu können. Individuelle Ergänzungen waren nicht erlaubt. Dadurch wirkte die junge Stadt entsprechend eintönig und gleichförmig.

Weil beim Bauen das frisch geschlagene und umsonst verteilte Bauholz verwendet wurde, traten sehr bald Schäden auf, weil sich das Holz verzogen hatte, die behoben werden mussten.

In der heutigen Waldhornstraße an der Ecke zur Kaiserstraße, der ehemaligen Landstraße zwischen Mühlburg und Durlach, lag ursprünglich das Gasthaus Waldhorn. Es war später wie andere Gasthäuser Namensgeber für die verschiedenen Straßen des Fächers. Das Gasthaus bildete zur Gründungszeit als Treffpunkt für alle, die mit dem Bauhandwerk zu tun hatten.

Anlässlich des dritten Jahrestags der Stadtgründung veranstaltete Karl Wilhelm 1718 ein großes Fest und benannte die Radialstraßen[5] gemäß eines Vorschlags des Karlsruher Obervogts Johann v. Günzer nach den ersten Ordensrittern vom Hausorden der Treue, der zusammen mit der Stadtgründung gestiftet worden war.

Südlich der ursprünglichen Landstraße dehnten sich lediglich Wald, Felder und Wiesen aus. Die neue Stadtgründung blieb unbefestigt und erhielt keine Stadtmauer. Zur Markierung der Stadtgrenze dienten Holzzäune. An den Durchgangsstraßen befanden sich Schlagbäume und Torhäuschen für die Wachsoldaten.

Am 24. März 1718 war der Kaufmann und Wirt des Gasthauses Waldhorn Johannes Sembach zum ersten Karlsruher Bürgermeister gewählt worden. Er hatte dieses Amt bis zum 20. August 1720 inne. Seine Aufgaben waren die Aufsicht über die städtischen Bediensteten, die Sorge um die Sicherheit, die Verwaltung des Bauwesens sowie die Instandhaltung der Straßen. Weil es noch kein Rathaus gab, fanden die Sitzungen im Gasthaus Waldhorn statt.

Die erste Sitzung des von männlichen Karlsruher Bürgern gewählten Stadtrats fand am 24. November 1718 statt. Der Hof hatte dafür gesorgt, dass nur Kandidaten zur Wahl standen, die sich in einem wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis zum Hof befanden. Damit erreichte der Markgraf, dass ein deutlich gefügigerer Stadtrat gewählt wurde, mit dem es weniger Probleme als gab mit dem in Durlach.

Im Jahr 1719 gab es noch keine Polizei. Deshalb wurde die Bevölkerung in jenem Jahr dazu aufgefordert, „alle Nachtschwärmer tot oder lebendig einzuliefern“. Hausbesitzer wurden ausdrücklich dazu ermächtigt, auf Fliehende zu schießen. Damit sollten Diebstähle und Einbrüche verhindert bzw. erschwert werden. Die Kriminalitätsrate war in jener Zeit hoch, weshalb vom Markgrafen im September 1714 der Bau des Zucht- und Waisenhaus in Pforzheim in Auftrag gegeben worden war. Im Jahr 1718 wurde für die Kinder der Beamten eine Lateinklasse eingerichtet.

Im Jahr 1721 waren die Straßen der Stadt noch ungepflastert, unbeleuchtet und mit Abfall versehen, da es noch keine funktionierende Infrastruktur gab. Die Bewohner gewannen ihr Trinkwasser aus Brunnen, die hinter jedem Haus angebracht waren und keine gute Qualität besaß. Im sogenannten „Seilerhaus“, einem Modellhaus aus dem Jahr 1723 an der Kaiserstraße ist bis zur Gegenwart ein Brunnenschacht erhalten geblieben. Das erste Karlsruher Hospital wurde erst 1733 errichtet. Der Schulunterricht fand in angemieteten Räumen und meistens nur im Winter statt. Ein öffentliches gesellschaftliches oder kulturelles Leben war in den Anfangsjahren ebenfalls noch nicht gegeben.

Am 12. Februar 1722 erließ Karl Wilhelm einen neuen Privilegienbrief, der die ursprünglichen Privilegien von 1715 bestätigte und fortschrieb. Etwa die Hälfte der in der Stadt ansässigen Gewerbetreibenden waren zu jener Zeit für den Hof tätig, so dass die Stadt ohne diesen nicht lebensfähig gewesen wäre. Neubürger mussten nun über ein Kapital von mindestens 200 Gulden verfügen und sich auch tatsächlich in Karlsruhe niederlassen. Für in Karlsruhe vorgenommene Geschäfte wurden keine Pfundzölle erhoben, Rohstoffe sowie in Karlsruhe hergestellte Produkte konnten zollfrei ein- und ausgeführt werden. Die Stadt Karlsruhe durfte nun eigene Gebühren und Abgaben erheben, um ihre Ausgaben für Bedienstete sowie die Errichtung der städtischen Infrastruktur zu finanzieren. In einem Zusatz vom 15. August 1724 bestätigte Karl Wilhelm den Karlsruhern, dass sowohl Betriebskapital als auch persönliche Vermögen nicht besteuert werden würden.

Am 20. Juni 1724 nahm das ehemalige Durlacher Gymnasium in Karlsruhe den Lehrbetrieb mit zwei Klassen auf. Als erster Karlsruher Rektor wurde Philipp Jakob Bürcklin ernannt. Aufgrund der Finanzlage wurde erst 1728 eine dritte und 1732 eine vierte Klasse aufgenommen.

Das erste Blutgericht der Stadt, welches sich aus Mitgliedern des Stadtrats zusammensetzte, tagte unter dem Vorsitz des Bürgermeisters. Dabei wurde ein Dieb zum Tod durch Erhängen verurteilt. Die Richtstädte mit dem Galgen befand sich in jener Zeit ungefähr zwei Kilometer westlich der Stadtmitte auf einem Feld am Landgraben.

Das Stadtwachstum

Im Jahr 1718, drei Jahre nach der Stadtgründung, bestand das Residenzstädtchen Karlsruhe aus lediglich 59 Häusern, in denen 254 Personen wohnten. Schon ein Jahr später waren es 125 Häuser mit einer Bewohneranzahl von 500. Bei der Hälfte der Bewohner handelte es sich um Kinder.

Wenn Untermieter, Wanderarbeiter sowie die Bewohner des Dörfles berücksichtigt werden, wobei das Dörfle noch nicht offiziell zu Karlsruhe gehörte, soll die Bewohneranzahl im Jahr 1720 um 2.000 Menschen betragen haben. In kurzer Zeit hatte sich Karlsruhe damit zur drittgrößten Stadt der Markgrafschaft Baden-Durlach nach Pforzheim und Durlach entwickelt.

Die Bewohner wohnten dicht an dicht und waren lediglich durch Holzwände voneinander getrennt, so dass die Bewohner zwangsläufig gegenseitig am Leben der anderen teilnahmen. Rund 80 % der Bevölkerung waren aus mehr als 50 Kilometern Entfernung zugezogen, darunter die meisten aus dem Herzogtum Württemberg. Weitere Neubürger kamen auch aus Straßburg, aus der Schweiz und einzelne aus Italien und Polen. Nur sieben Prozent der Karlsruher Hausbesitzer kamen aus Durlach. Darunter überwiegend Handwerker und Händler, welche die Privilegien nutzten. Etliche von ihnen wohnten aber weiterhin in Durlach und betrieben lediglich ihr Handwerk in der neuen Stadt.

Religionen

Zu Zeiten von Karl Wilhelm war die Evangelisch-lutherische Religion Staatsreligion. Lediglich protestantische Geistliche durften Taufbücher führen, Trauungen und Beerdigungen durchführen. Auch war es nur diesen Geistlichen erlaubt, Kirchen und Schulen zu unterhalten.

Die beiden evangelischen Konfessionen, die Lutheraner[6] auf der einen und die Reformierten[7] auf der anderen Seite, lagen miteinander im Streit. Wenn Heiraten zwischen beiden Gruppierungen erfolgen sollten, wurde eine „Dispensationstaxe“ in Höhe von bis zu einem Gulden erhoben. Die beiden Pfarrer, der lutherische Stadtpfarrer Franz Rudolf Krüger, der später Oberhofprediger wurde, sowie der reformierte Burkhard trugen ihre religiösen Differenzen auch auf dem Rücken der Gemeindemitglieder aus. Der hugenottische Pfarrer der Gemeinde Friedrichstal wurde entlassen, weil er eine lutherische Frau getauft hatte.

Der katholische Pfarrer und Sänger einer kleinen Gemeinde mit „Kirche im Wohnhaus“ war seit 1718 der Italiener Natale Bettinardo. Kapuzinerpatres, die aus Bruchsal kamen, lasen dort an Sonn- und Feiertagen die Messe. Durch verschiedene Streitschriften angestachelt bedrohten evangelische Karlsruher die wenigen Karlsruher Katholiken. Karl Wilhelm sah sich deshalb 1722 dazu genötigt, die lutherische Geistlichkeit zur „christlichen Mäßigung“ insbesondere gegenüber den Reformierten aufzurufen. Am katholischen „Kirchenhaus“ ließ er ein Plakat anschlagen, in dem die Nachbarn dazu aufgefordert wurden, „Tumultanten todt oder lebendig nach Hofe zu liefern“.

Für die jüdische Gemeinde, deren Mitglieder keine Bürgerrechte besaßen, gab es keinen derartigen staatlichen Schutz. Die Gemeinde erwarb 1725 ein Haus in der Kronenstraße und baute es zu einer Synagoge und einem Badehaus um. Auch unterhielt diese Gemeinde ein Spital- und Armenhaus auf eigene Rechnung.

Karl Wilhelm war im Jahr 1719 einer der ersten Fürsten, die ein Versorgungswerk zur Unterstützung von Pfarrerfamilien gründeten, um Familien für den Fall zu unterstützen, dass der Ernährer verstarb. Jeder Kirchendiener sowie höhere Schuldiener mussten zwangsweise dieser Kasse beitreten und Beiträge entrichten. Mit den Einnahmen wurde Witwen eine Pension gezahlt. Wie vorausschauend der Markgraf damit war, zeigt die Tatsache, dass die erste staatliche Sozialversicherung, die Krankenversicherung, für die breite Bevölkerung erst 164 Jahre später von Reichskanzler Bismarck ins Leben gerufen wurde.

Verhältnis zur Durlacher Bevölkerung

Die Bewohner Durlachs, die noch in der offiziellen Residenzstadt der Markgrafschaft wohnten, reagierten verärgert auf die Karlsruher Stadtgründung, zumal für die neue Stadt Privilegien galten, während die alten Durlacher Privilegien von 1699 nicht verlängert worden waren. Karl Wilhelm achtete deshalb darauf, dass auch Durlach einige Erleichterungen erhielt. So genehmigte er der Stadt 1716 einen vierten Jahrmarkt und ließ das Durlacher Rathaus wieder aufbauen. Im Jahr 1718 wurden die vorherigen Zollerhöhungen wieder revidiert, um die Frachttransporteure wieder dazu zu veranlassen, auf der Strecke Frankfurt und Basel durch Durlach zu ziehen. Aufgrund der Erhöhungen hatte sich der Transport auf die linke Rheinseite verlagert. Ebenso wurde die neu eingerichtete kaiserliche Reichsposthalterei in Durlach angesiedelt. Somit waren die Karlsruher Bürger gezwungen, ihre Post in Durlach abzuholen bzw. dort aufzugeben. Gleiches galt für den Personenverkehr via Postkutschen. In späteren Zeiten verkehrten die „Geschwindkutschen“ dreimal wöchentlich zwischen Frankfurt und Basel über Durlach.

Die Durlacher dankten ihm zumindest diese Erleichterungen und überreichten ihrem Markgrafen anlässlich seines 39. Geburtstags eine Geschenk im Wert von 100 Dukaten, was rund 416 Gulden entsprach.

Am 16. September 1718 befahl Karl Wilhelm seinen Hofbeamen, unverzüglich von Durlach nach Karlsruhe umzuziehen, weil das „Kanzleyhaus“ fertig sei. Die Beamten zeigten sich nicht erfreut darüber. Aufgrund eines missfallenden Ausrufs von Hofrat v. Riesmann wurde dieser offensichtlich entlassen.

Siehe auch

Weblinks

Fußnoten

  1. Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Merkantilismus“
  2. Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Marstall“
  3. Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Ferdinand Maria Innozenz von Bayern“
  4. Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Mansarddach“
  5. Der Begriff Radialstraße meint die Straßen, die strahlenförmig vom Karlsruher Schlossturm wegführen
  6. Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Lutheraner“
  7. Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Die Reformierten“