Ernst Schorb

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Biographie Ernst Schorb

Dass die Überlebenschancen der Verfolgten auch im Justizstrafvollzug in den 40er Jahren rapide zurückgingen, zeigt das Schicksal von Ernst Schorb, geboren 1894 in Forchheim bei Karlsruhe, Sohn eines Bäckermeisters. Er besuchte die Volksschule und erlernte dann in den nächsten 3 Jahren den Beruf eines Friseurs. Zwei Jahre später muss er in den Krieg, aus dem er im November 1918 als Unteroffizier zurückkehrt. 1919 macht er sich selbständig und eröffnet einen Friseurladen in Karlsruhe, den er auch über die Inflationszeit hinaus fortführen kann. Er heiratet und wird 1924 Vater eines Sohnes. Doch Ende der 20er Jahre beginnt das, was er sich aufgebaut hat, in die Brüche zu gehen. 34jährig findet einen Freund, mit dem er von 1928 bis 1930 eine Beziehung eingeht. Was das für den Bestand seiner Ehe bedeutet, können wir nur erahnen. Aber eine weitere Krise kommt hinzu, die beginnende Not und Massenarbeitslosigkeit, ausgelöst durch die Weltwirtschaftskrise. Ernst Schorb kann sein Friseurgeschäft und damit die existentielle Grundlage für seine Familie nicht mehr halten. Er muss sich nach einer neuen Erwerbsmöglichkeit umsehen. Als Arbeiter findet fortan bis in die 40er Jahre Beschäftigung zuletzt war er Lagerarbeiter in einer Karlsruher Papiergroßhandlung. Er lebte in den 40er Jahren allein, sein Sohn war 19jährig in den Krieg befohlen worden, zur Front gekommen und 1943 in kanadische Gefangenschaft geraten. Seine Frau war bereits 1938 gestorben.

Im August 1943 wurde auch Ernst Schorb eingezogen, er kam als Unteroffizier zu einer Fliegerkompanie. Ein Jahr darauf steht er vor dem Kriegsgericht. Während des Heimaturlaubs in Karlsruhe hatte er im Mai 1944 einen Gefreiten kennen gelernt und ihn für eine Nacht mit nach Haus genommen. Vorgeworfen wird ihm außerdem, mit einen Unteroffizier seiner Einheit verbotene Beziehungen unterhalten zu haben. Dafür verurteilt ihn das Kriegsgericht zu drei Jahren Gefängnis. Strafverschärfend wurde gewertet, dass er bereits 1936 bei der Polizei in Karlsruhe als Homosexueller aufgefallen und ein Strafverfahren eingeleitet worden sei. Deshalb gilt er nicht als „gestrauchelt“, wie es im Jargon der Kriegsrichter heißt, sondern als „Hangtäter“. Eine verhängnisvolle Klassifikation. Denn jemand, der so eingestuft wird, hatte ab März 1943 keine Chance mehr, wieder in die Wehrmacht aufgenommen zu werden. Es bedeutete den Ausschluss aus der kämpfenden Volksgemeinschaft. Ernst Schorb wurde zur Vollstreckung der Strafe der zivilen Gerichtsbarkeit übergeben. Er kommt zunächst ins Wehrmachtsgefängnis nach Berlin und wird von dort im Oktober 1944 ins Gefängnis nach Lübeck transportiert. Auch im Strafvollzug der Justiz herrschen mittlerweile Zustände, die durch schwere und gefährliche Zwangsarbeit sowie durch eine völlig unzureichende Ernährung gekennzeichnet sind. Sechs Monate vermag Ernst Schorb – er ist jetzt 50 Jahre alt – dort noch durchzustehen. Am 8. April 1945 stirbt er an den Folgen der Haftbedingungen und Schwerstarbeit. Die Todesursache lautet auch offiziell „Verletzung und Entkräftung“. Vier Wochen später, am 2. Mai wurde Lübeck von der britischen Armee befreit. [1]

  1. aus Vortragsmanuskript „Verschwiegene Verfolgte“ des Historikers Andreas Pretzel vom Magnus-Hischfeld-Zentrum Berlin, Karlsruhe, 18. März 2008, von Andreas Pretzel über Schrill im April zur Verfügung gestellt am 26. März 2008